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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es dort auch Kadetten geben würde, die von uralten Rittergeschlechtern abstammten. Ich musste eine gute Figur machen und durfte meinem Vater oder den Burvelles des Westens, der Familie me i nes Onkels Sefert, auf keinen Fall Schande machen. Ich war mir dessen voll und ganz bewusst, so sehr, dass es mir Herzklopfen bereitete, denn meine gesamte Familie sorgte dafür, dass ich es nur ja nicht vergaß. Onkel S e fert, der Erbbruder meines Vaters, schickte mir vor me i ner Abreise ein prachtvolles Geschenk: einen Sattel, maßangefertigt für Sirloftys Rücken, mit dem neuen F a milienwappen auf den Seitenblättern. Ebenso dabei w a ren Reisepacktaschen, wie sie jedes gute Kavallapferd trug, auch sie verziert mit dem Familienwappen. Ich musste meinen Dankesbrief viermal neu aufsetzen, ehe mein Vater sowohl mit seinem Inhalt als auch mit meiner Schreibkunst zufrieden war. Es ging um mehr, als dass der Brief an den älteren Bruder meines Vaters ging; es ging darum, dass mein Vater ihm jetzt gleichgestellt war und dass ich auf einer Stufe mit dem Soldatensohn eines jeden Edelmannes stand und mich dementsprechend betragen musste. Ich wurde von allen als ein solcher wahrgenommen, vor allem aber von den Mitgliedern meiner eigenen Familie.
    Im Frühsommer wurde der Stoff für meine Uniformen in Alt-Thares bestellt. Der dicke Ballen Tuch im satten Grün eines Kavallakadetten, der bald darauf bei uns ei n traf, war in dickes braunes Packpapier eingeschlagen. In einem separaten Paket waren Messingknöpfe in zwei Größen, in die das Emblem der Kavallasoldaten, die g e kreuzten Säbel, geprägt war. Bis dahin hatten meine Mu t ter und ihre Frauen stets alle meine Kleider selbst genäht, wie im Übrigen für den gesamten Haushalt. Was die A n fertigung meiner Akademieuniform anbelangte, zog mein Vater es jedoch vor, mit dieser Aufgabe einen verhutze l ten kleinen Schneider zu beauftragen. Der gute Mann kam zu diesem Zwecke eigens aus Alt-Thares angereist, auf einem kräftigen Braunen und mit einem Maultier an der Leine, das mit zwei großen Holzkisten beladen war.
    Darin befanden sich die Instrumente seines Han d werks: Scheren und Maßbänder, Bücher mit Schnittm u stern und Nadeln, Garne in allen erdenklichen Stärken und Farben. Er blieb den ganzen Sommer über bei uns und schneiderte während dieser Zeit vier Ensembles Kleidung: zwei Winteruniformen und zwei für den Sommer – und natürlich meinen Kavalleristenmantel. Mit Argusaugen inspizierte er die Arbeit des örtlichen Schusters, der meine Stiefel fertigte, und sagte, sie seien »passabel«, aber ich sollte mir ein »gutes« Paar machen lassen, sobald ich nach meiner Ankunft in Alt-Thares Zeit und Gelegenheit dazu hätte. Meinen Schwertgürtel und meinen Säbel übernahm ich von meinem Vater. Für Sirlofty wurde neues Zaumzeug geordert, passend zu dem wunderschönen neuen Sattel. Selbst mein Unterzeug und meine Strümpfe waren allesamt neu, und sie wurden sorgfältig in einem schweren Schrankkoffer verstaut, der nach Zedernholz duftete.
    Als wenn das noch nicht genug an Neuem gewesen wäre, musste ich mich zwei Abende vor meiner Abreise auf einen hohen Schemel setzen, und mein Vater schnitt mir höchstpersönlich alles an Haar ab, was sich mit einer Schere abschneiden ließ, bis auf meinem Schädel nur noch ein kurzes stachliges Stoppelfeld übrigblieb. Mein gesamter Kopf war jetzt fast genauso kahl wie meine Narbe. Als er fertig war, schaute ich in den Spiegel und erschrak über den Kontrast zwischen meiner sonneng e bräunten Haut und der Blässe, die zwischen den Haa r stoppeln hervorschimmerte. Letztere waren auf meiner nackten rosigen Kopfhaut kaum zu sehen, und meine blauen Augen erschienen mir plötzlich so groß wie die eines Fisches. Mein Vater schien indes zufrieden. »So kannst du dich sehen lassen«, knurrte er. »Keiner wird sagen können, wir hätten einen zotteligen kleinen Präri e jungen auf die Akademie geschickt, damit er dort ein Männerhandwerk erlernt.«
    Am nächsten Abend zog ich zum ersten Mal seit der Anprobe meine grüne Kadettenuniform an. Anlass war das Abschiedsgaladinner, das meine Eltern für mich g a ben.
    Seit der förmlichen Ankündigung von Rosses Verl o bung mit Cecile Poronte hatte ich meine Mutter das Haus nicht mehr so gründlich herausputzen sehen. Als das Haus kurz nach der Erhebung meines Vaters in den Adelsstand gebaut worden war, hatte sich meine Mutter leidenschaftlich für ein Speisezimmer und einen daran angrenzenden

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