Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller
Zustand war, sonst hätte sicher jemand auch die Truhe genommen, um sie wieder herzurichten.
Ivy ließ warmes Wasser über den silbernen Rücken der Haarbürste laufen. »Getriebenes Silber, Repoussé«, sagte sie. Ein wundervolles, treffendes Wort für das erhabene Muster aus Blumen und Kolibris.
David hob die Hand und bedeutete ihr, still zu sein. »Ein Wort mit acht Buchstaben, die Hälfte davon Vokale. Ich versuche, mich zu konzentrieren!«
Ivy entfernte ein paar letzte Haare, die noch in der Bürste hingen.
»Weißt du, wozu man die Glasdose mit dem Silberdeckel gebraucht hat?« Sie stopfte die hellbraunen Haare durch das Loch im Deckel. »Das ist ein Haarbehälter. Viktorianische Damen hoben ihre Haare auf, um Nadelkissen damit auszustopfen oder Schmuck daraus zu machen. Eine ähnliche Dose wie diese wurde neulich bei eBay für mehr als hundert Dollar verkauft.«
»Klingt noch nicht wie ein Lottogewinn.«
Ivy tauchte ein feuchtes Tuch in die Polierpaste und begann, den Rücken der Haarbürste damit abzureiben. Das Tuch wurde schwarz und die gehämmerte Oberfläche blank.
»Ein ganzes Toilettenset wäre sehr viel mehr wert«, fuhr Ivy fort. »Vermutlich gab es ein halbes Dutzend weitere Teile. Wahrscheinlich einen Kamm, einen Knopfhaken, ein …«
David nahm sein Kreuzworträtsel und sein Lexikon und verließ die Küche.
Ivy griff nach einer alten Zahnbürste und bearbeitete die letzten geschwärzten Stellen. Dann nahm sie den Spiegel in die Hand. Ihr Gesicht sah ihr aus dem fleckigen
Glas entgegen. Auch wenn sie Wangen hatte wie ein Eichhörnchen, mit ihren langen, glatten Haaren und dem Pony sah sie immer noch aus wie Morticia Addams, besonders nach einem arbeitsreichen, anstrengenden Tag.
Sie polierte die Rückseite des Spiegels, dann machte sie sich an die Haardose. Zuletzt spülte sie die Stücke ab und trocknete sie mit einem Geschirrtuch. Dann stellte sie sie nebeneinander auf die Arbeitsplatte und bewunderte das Ergebnis ihrer Bemühungen.
Dabei fiel ihr die Bronzefigur am Fuß der Treppe ein. Wo sie nun schon einmal dabei war, konnte sie die Statue eigentlich gleich mit reinigen. Sie ging in die Eingangshalle und hob Bessie von ihrem Pfosten. Ein fünfzehn Zentimeter langer Stift, der in dem Abschlusspfosten des Treppengeländers verankert war, war alles, was die schwere Statue auf ihrem Platz hielt.
Als sie die Figur in die Küche trug, musste sie daran denken, wie David und sie zum ersten Mal über die Schwelle ihres neuen Heims getreten waren und Bessie sie mit erhobenem Arm persönlich willkommen zu heißen schien. Ivy war ganz überwältigt gewesen vom Gefühl des Déjà-vu - das Haus hatte sie sehr an das bescheidenere viktorianische Haus erinnert, in dem ihre Familie vor dem Tod ihres Vaters gelebt hatte. Bevor ihre Mutter zu trinken begonnen hatte.
Sie stellte die Figur auf die Arbeitsplatte in der Küche. Ivy hatte genügend Folgen der Antiques Roadshow gesehen, um zu wissen, dass man alte Bronzegegenstände nicht polieren sollte. Die arme Frau, die den Ständer einer
Tiffany-Lampe mit Brasso bearbeitet hatte, war in Tränen aufgelöst gewesen, als man ihr mitteilte, dass sie Patina im Wert von zehntausend Dollar weggeschrubbt hatte.
Ivy war gerade dabei, die Statue mit einem feuchten Tuch abzureiben und den Staub aus allen Ritzen zu entfernen, als sie ein Geräusch von draußen hörte. Ein trockenes Quietschen. Kurz darauf war das Geräusch wieder da. Es klang, als sähe ein weiterer Kunde nach, was für Wunderdinge hier umsonst zu haben waren.
Ivy blickte auf die Uhr. Schon nach zehn. Sie dimmte die Küchenbeleuchtung, um besser nach draußen sehen zu können. Hinter dem Rasen und Theos Wahlplakat hatte jemand den Deckel der Korbtruhe geöffnet. Als der Deckel ein Stück gesenkt wurde, konnte Ivy Kopf und Schultern der Person erkennen, die da draußen beschäftigt war. Ein Auto fuhr vorbei, und die Scheinwerfer streiften die schattenhafte Gestalt. Eine Frau.
Der Deckel wurde weiter gesenkt, und Ivy stellte mit Entsetzen fest, dass die Frau ihr sehr bekannt vorkam. Lange, dunkle Haare, Pony, eine Sonnenbrille.
Wenn sie nicht gewusst hätte, dass es unmöglich war, hätte sie geglaubt, sich selbst vor sich zu sehen.
Mit lautem Getöse fiel die kleine Statue ins Spülbecken, und Ivy griff sich an die Kehle. Sie tastete nach der Halskette ihrer Großmutter und dem handförmigen Glücksbringer, der dort hängen sollte, aber nicht da war.
5
Hör auf, dich im Kreis zu drehen,
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