Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller
berührt? Jetzt war es zu spät, um noch etwas zu unternehmen.
Beim Gedanken an die lackierten Zehennägel erschauerte sie. Wie lange nach dem Flohmarkt war Melinda umgebracht worden? Wo war es passiert, und wann war die Leiche in die Badewanne gelegt worden?
Diese Fragen würden die Ermittlungen der Polizei endlich in eine neue Richtung lenken.
Sie legte sich auf die Seite und beobachtete den Wehenschreiber. Die Linie, die ihre Wehen aufzeichnete, war ganz flach, aber der Herzschlag des Babys war kräftig und deutlich zu sehen. Blip, blip, blip, blip … Die Augen fielen ihr zu.
Ivy fuhr aus dem Schlaf. Sie sah gerade noch, wie eine Schwester in einem violetten Kittel ihr Zimmer verließ. Mit wippendem Pferdeschwanz verschwand sie im Korridor. Sie erinnerte Ivy an Cindy Goodwin, Davids neue Büroassistentin und Jodys Cheerleader-Barbie. Der Sessel, in dem Jody geschlafen hatte, war leer, und die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet.
Die obere Linie auf dem Wehenschreiber - die für das Baby - pulsierte nach wie vor regelmäßig und beruhigend. Sie warf ein grünes Licht auf die Wände und die Zimmerdecke.
Ivy schloss die Augen. Sie stellte sich vor, wie sie durch die Federzeichnungen in Madeline wanderte, und sagte im Geist die Verse auf.
Sie hatte keine Vorstellung, wie viel Zeit verstrichen war, als sie eine Hand auf ihrem Bauch fühlte. Eine schattenhafte Gestalt stand bedrohlich am Fußende
ihres Betts. »Wir wissen, dass Sie dort waren.« Ivy erkannte Detective Blanchards heisere Stimme.
Was machte er mitten in der Nacht hier in der Klinik? Warum konnte sie sein Gesicht nicht erkennen? Warum konnte er sie von der Stelle aus anfassen, an der er stand? Und doch fühlte sie seine Hand. Sie versuchte, sich zu bewegen, die Hand wegzuschieben, aber sie war wie gelähmt.
Das muss ein Traum sein , sagte sie sich.
Keuchend, als sei sie von einer Meereswelle umgeworfen und herumgeschleudert worden und gerade erst wieder aufgetaucht, riss sie sich gewaltsam aus dem Schlaf. Eine Frau in einem rosafarbenen Kittel mit einer OP-Maske vor dem Gesicht stand neben dem Bett. Sie hatte eine Hand auf Ivys Bauch gelegt und starrte auf den Wehenschreiber. Also nicht Detective Blanchard.
Ivy ließ den Kopf auf das Kissen zurückfallen. Nur eine Schwester. Das Namenschild auf der Brusttasche ihres Kittels reflektierte das grüne Licht des Monitors.
»Es ist alles in bester Ordnung. Beruhigen Sie sich«, sagte die Schwester. »Ich habe nur nach dem Baby gesehen.«
Ohne ein weiteres Wort ging sie aus dem Zimmer. Die einzige Spur ihrer Anwesenheit war der Geruch, den sie hinterließ: der Geruch nach Latex und ein schwacher Hauch von Opium -Parfüm.
27
Die Gerüche gingen Ivy nicht mehr aus dem Kopf. Während der restlichen Nacht wälzte sie sich unruhig hin und her. Sie hatte den Eindruck, dass jede halbe Stunde eine Schwester hereinkam und nach ihr sah. Am nächsten Morgen um halb acht erschien Dr. Shapiro, nahm sie vom Wehenschreiber ab und erklärte, sie könne ohne Bedenken entlassen werden.
»Aber bleiben Sie in der Nähe«, warnte sie Ivy.
Deswegen hätte sie sich keine Sorgen machen müssen. Ivy hatte vor, sich sofort ins Bett zu legen, wenn sie nach Hause kam.
Jody rief an. Theo wollte um zehn Uhr mit ihr zur Klinik fahren.
Ivy sah sich die Morgennachrichten verschiedener Sender an, aber keiner berichtete von einer Leiche in einem Vorstadthaus von Brush Hills.
Ivy nahm eine brühheiße Dusche und ließ das Wasser auf ihren schmerzenden Rücken prasseln. Dann zog sie ihre Kleider vom Vortag an. Die Fotos und Papiere, die sie aus Melindas Schlafzimmer entwendet hatte, waren fort. Ivy hoffte, dass Jody sie verbrannt hatte.
Sie schaltete noch einmal die Fernsehnachrichten ein. Immer noch nichts.
Unfähig, tatenlos herumzusitzen, griff Ivy nach dem Hörer des Kliniktelefons. »Corinne Bindel. B-I-N-D-E-L.«
Sie buchstabierte den Namen für die Frau in der Telefonzentrale.
Ja, Mrs Bindel befand sich in dieser Klinik. Ihr Zustand war inzwischen stabil, obwohl es anfänglich ernst ausgesehen habe. Mehr konnte die Frau von der Telefonzentrale ihr nicht sagen.
Ivy legte auf und kaute an dem letzten Stück Toast von ihrem Frühstückstablett. Sie unterdrückte das Bedürfnis, den Fernseher noch einmal einzuschalten.
Ihr Haar war noch feucht, als sie ihr Zimmer verließ. Neben den Aufzügen hing ein Plan des Stockwerks und ein Verzeichnis der Abteilungen. Ivy wusste nicht, wo Mrs Bindel lag, aber das Krankenhaus
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