Neville, Katherine - Der magische Zirkel
in Deutschland, teils in der Schweiz auf und studierten später in Wien – er Naturwissenschaften, sie Musik. Ihre Familie gehörte nicht zu den wohlhabendsten, aber das Wörtchen «von», das Prädikat des Adels, zierte ihren Namen seit etlichen hundert Jahren. Wolfgang hatte es abgelegt, weil er es, wie Bambi erklärte, im Umgang mit der Geschäftswelt für unangemessen hielt. Nach Bambis Schilderung schienen sie im Vergleich zu mir ein idyllisches Leben geführt zu haben – bis sie mit der Familie Behn in Berührung kamen.
Bambi war über zehn Jahre lang, seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr, der Schützling meines Onkels Laf gewesen. Als man erkannte, wie begabt sie war, und Laf anbot, ihr die besten Lehrer zu besorgen und ihre Ausbildung selbst in die Hand zu nehmen, wurde Bambi von ihrer Familie nach Wien geschickt, wo sie im Haus von Onkel Laf wohnte. Wolfgang hatte seine Schwester dort häufig besucht, so daß Lafs Bemerkung, er kenne ihn kaum, nicht wahr sein konnte.
Aber vor sieben Jahren geschah etwas, das sogar diese begrenzte Beziehung zur Familie änderte. Wolfgang hatte einige Jahre zuvor promoviert, und seine erste berufliche Tätigkeit als Berater der Atomindustrie zwang ihn zu immer häufigeren Reisen. Als er vor sieben Jahren von einer Auslandsreise nach Wien zurückkehrte, besuchte er seine Schwester in Onkel Lafs Wohnung, die gegenüber der Hofburg lag. Wolfgang erzählte Laf und Bambi, er würde seinen bisherigen Job aufgeben und eine neue Stellung bei der Internationalen Atomenergiebehörde antreten. Zur Feier des Tages wollte er die beiden zum Mittagessen in ein nahegelegenes Restaurant einladen.
«Nach dem Essen», sagte Bambi, «bat uns Wolfgang, mit ihm in die Hofburg zu gehen. Er zeigte uns die Schätze in der Residenz, die berühmte Sammlung aus dem alten Ephesus, die sich auch dort befindet, und dann führte er uns in die Waffenkammer.»
«In die kaiserliche Waffensammlung», sagte ich. Ich hatte die Geschichte nicht vergessen, die mir Laf im Pool
erzählt hatte, wie er als Kind diese Räume in der Hofburg besucht hatte – in Begleitung von Adolf Hitler.
«Richtig», sagte Bambi. «Mein Bruder zeigte uns ein Schwert und eine Lanze und fragte Ihren Onkel: ‹Habt ihr, du und Pandora, alles über diese sogenannten heiligen Gegenstände gewußt?› Aber Lafcadio schwieg, und dann sagte Wolfgang, er interessiere sich seit langem für diese Objekte. In Nürnberg hat man davon gewußt, denn Adolf Hitler hatte als erstes nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich viele Schätze aus den Wiener Museen – zum Beispiel die alten Reichsinsignien: Kaiserkrone, Reichsapfel und Szepter, das kaiserliche Schwert und dergleichen – in die Nürnberger Burg bringen lassen.»
War es nur ein Zufall, daß meine Tante Zoe vor genau einem Jahr – im März 1988, am fünfzigsten Jahrestag dieses Ereignisses – mit ihren «Friedenswächtern» aus dem Zweiten Weltkrieg nach Wien gekommen war und dort die Bekanntschaft des Herrn Prof. Dr. Wolfgang K. Hauser machte? Ich glaubte das nicht, denn Bambi erzählte mir, daß sich Laf heftig geweigert hatte, Wolfgang wiederzusehen oder in seinem Haus zu empfangen, nachdem dieser behauptet hatte, wenn es Pandora möglich gewesen war, ihre teure Wohnung in der Hofburg den ganzen Krieg über zu behalten und weiterhin an der Wiener Staatsoper zu singen, dann nur deshalb, weil sie etwas Wichtiges über die heiligen Gegenstände wußte – etwas, das die Objekte mit Nürnberg, vielleicht sogar mit Hitler verband.
«Du und Wolfgang, ihr seid in Nürnberg aufgewachsen, wo 1946 der Kriegsverbrecherprozeß stattfand. Wurden diese Objekte bei dem Prozeß erwähnt?»
«Das weiß ich nicht», sagte Bambi und stützte den Ellbogen auf den Tisch, um sich aufrecht zu halten. «Der Nürnberger Prozeß… der Krieg… das alles war, bevor Wolfgang und ich geboren wurden. Aber auch nach dem Krieg wußte jeder in Nürnberg von diesen alten Sachen. Sie wurden in einer Kammer in der Burg aufbewahrt. Hitler glaubte, sie wären irgendwie heilig und hätten geheimnisvolle Kräfte, die mit der alten germanischen Abstammung zusammenhingen. Hitler hatte in Nürnberg eine Wohnung, in der er sich während der Parteitage aufhielt. Sie lag neben dem Opernhaus, und von den Fenstern aus konnte er die Burg sehen, die die Gegenstände beherbergte. Auf den großen Parteitagen wurden sie häufig auch auf dem Zeppelinfeld zur Schau gestellt. Erst nach dem Krieg kamen sie wieder nach
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