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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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wenigstens so richtig gelohnt hat.«
    »Sag bloß, du willst mich schon wieder in aller Herrgottsfrühe zum Sex zwingen wie damals, als du nur mit Unterwäsche bekleidet im Hausflur herumgelungert hast?«
    Sagte es und glitt langsam auf sie herab.
     
    *
     
    Als Tom und Zoe gegen neun Uhr etwas verschmitzt ins Sonnenzimmer kamen, saß Mr. Charles »Chuck« Delano Fiorino bereits am Frühstückstisch und las die New York Times . Mit seinen ergrauten Schläfen und dem milden Blick sah er aus wie die Richard-Gere-Version seines Sohnes.
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Zoe!«, rief er, sprang auf und schüttelte Zoe mit offenbar echter Begeisterung die Hand. Aber wer wusste das bei Amis schon genau?
    »Sie kommen aus Deutschland? Aus Berlin? Ich habe wunderbare Kollegen an der Charité. Überhaupt ist Berlin eine großartige Stadt – der Potsdamer Platz, die Spree. Setzen Sie sich neben mich, dann können wir uns unterhalten!«
    Gerade als Zoe Platz nehmen wollte, schwebte Mrs. Katherine »Kitty« Whitney Fiorino zur Tür herein. Sie war klein, zerbrechlich dünn und trug ihr sorgfältig blondiertes Haar zu einem französischen Chignon am Hinterkopf betoniert. Um ihren nicht mehr ganz faltenfreien, sonnengebräunten Hals waren mehrere zehntausend Dollar an dezentem Perlenschmuck drapiert, der sicherlich lediglich die Freizeitausstattung darstellte. Gnädig reichte sie Zoe die knochige Hand: »Willkommen, meine Liebe!«
    Sie setzten sich. Tom machte sich völlig unbekümmert über sein Omelett mit Tomaten, Spinat und Ziegenkäse her, während sein Vater in einen Sesam-Bagel mit Crème Cheese und Lachs biss. Mrs. Fiorino nippte an grünem Tee. Zoe war viel zu aufgeregt, um zu essen.
    »Und wo sind Sie aufs College gegangen, meine Liebe?«, fragte Mrs. Fiorino plötzlich unvermittelt und studierte Zoe mit der unterkühlten Subjektivität einer Mutter, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, potentielle Schwiegertochteranwärterinnen abzuwehren.
    Tom verdrehte die Augen. Das Verhör hatte begonnen.
    »In München. Auf die Ludwig-Maximilians-Universität«, antwortete Zoe und saß völlig versteift am Tisch, wie ein Entführungsopfer, dessen Befreiungsbitten jetzt gleich auf Video aufgezeichnet wurden.
    »Ist das eine private Institution mit ähnlichem Stellenwert wie Oxford oder Cambridge?« Mrs. Fiorinos Wahrnehmung von Europa beschränkte sich offenbar auf das britische Königreich.
    »Äh …«, begann Zoe. Was sollte man darauf schon antworten? Unter dem Tisch drückte Tom aufmunternd ihre Hand. »Nein, es ist eine staatliche Uni.«
    Mrs. Fiorino schaute sie konsterniert an, als hätte Zoe sich ihren Masterabschluss über eine Zeitungsannonce erschlichen.
    »Aber sie hat einen sehr guten Ruf.«
    »Das deutsche Universitätssystem ist völlig anders angelegt als das britische oder das amerikanische, Mama«, versuchte Tom zu erklären. »Dort gibt es keine klassischen Ivy-League-Universitäten.«
    Doch Mrs. Fiorino war gedanklich längst an die Côte d’Azur geflogen. »Und wo verbringt Ihre Familie den Sommer?«
     
    *
     
    Tom entschuldigte sich am Sonntagabend auf der Rückfahrt in die Stadt noch einmal für den Auftritt seiner werten Mama. »Wohlsituierte Familien sind nicht weniger dysfunktional als andere. Auch meine ist keine Ausnahme. Ich fühle mich immer wie ein Vermittler zwischen zwei Welten. Wie ein Diplomat bei den Vereinten Nationen.«
    »Du meinst, du willst auf meiner Seite sein, kannst aber nicht die deiner Mutter desertieren?«
    »Genau. Ich komme mir immer vor wie ein Dolmetscher. Ich scheine der Einzige auf diesem Planeten zu sein, der beide Sprachen sprechen und übersetzen kann.«
    »Wobei du gleichzeitig auch noch zwischen den beiden Lagern vermitteln musst …«
    »… um kulturelle Missverständnisse von vornherein zu vermeiden, weil sie sich später niemals mehr ausbügeln lassen würden.«
    »Auch zwischen deinem Vater und deiner Mutter?«
    Tom legte den Arm um ihre Schultern und zog sie im Fond der schwarzen Limousine unanständig nah an sich heran. Zoe hoffte, der Chauffeur würde nicht in den Rückspiegel blicken, was er auch wohlerzogen nicht tat. Tom roch göttlich nach McNachbar und salziger Ozeanluft. Sie steckten im Sonntagabendstau auf dem Long Island Expressway fest, zwischen Hunderten von anderen Luxuslimousinen, deren Insassen vermutlich nichts lieber wollten, als schnellstmöglich wieder in ihre Townhäuser an der Upper East Side Manhattans zu gelangen. Wenn es nach Zoe

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