New York für Anfaengerinnen
gerade einmal vier besetzt. Als Zoe und Eros nach Eindreiviertelstunden endlich dran waren, wurden sie von einem uniformierten Wesen namens Rau’shee bedient. Bedient war dabei wirklich das falsche Wort.
»Ausweis«, befahl das Wesen mit dem überaus kreativen Vornamen.
»Hier, bitteschön, Miss«, sagte Zoe betont höflich.
Rau’shee hielt Zoes deutschen Reisepass prüfend in die Luft, als sei er Falschgeld.
»Land?«
»Deutschland«, antwortete Zoe etwas irritiert. Stand ja schließlich groß und breit in dem Dokument.
»Falsch! Sie sind aus Europa!«
»Europa ist kein Land, sondern ein Kontinent«, versuchte Zoe ihr vorsichtig zu erklären. »Der Pass ist ein EU-Pass, aber das Land, aus dem ich …«
Weiter kam sie nicht, da knuffte ihr Eros warnend in die Seite, und Rau’shee schaut sie vorwurfvoll an. »Ich bin für das L-a-n-d Europa nicht zuständig«, rüffelte sie Zoe, als hätte diese gleichzeitig in Erd- und Staatsbürgerkunde nicht aufgepasst.
»Wir sind doch aber aus Deutsch-l-a-n-d!«
»Auch für Deutschland nicht.«
»Wer ist denn dann zuständig für Deutschland?«
Doch Rau’shee war nicht gewillt, sich weiter mit den Feinheiten globaler Geografie zu beschäftigen. Sie schaute Zoe schweigend ein, zwei Sekunden lang direkt in die Augen, was man durchaus als Warnung hätte interpretieren können – und rief dann einfach: »Der Nächste.«
Zoe und Eros ließen sich entmutigt auf eine der hölzernen Bänke fallen.
»Was ist das überhaupt für ein Name«, maulte Eros. »Rau-shee! So heißen doch nur Bekloppte!«
»Na ja, ganz normal war sie jedenfalls nicht«, meinte Zoe.
»Ich hab mal eine Umfrage mit deutschen Grundschullehrern gelesen. Die glaubten, am Namen eines Kindes ableiten zu können, welche von ihren kleinen Fratzen im Klassenzimmer nicht die hellsten waren. Ganz vorne lagen übrigens Kevin und Jaqueline.« Dabei sprach Eros die Kindernamen völlig grotesk aus, sodass es sich wie Keff-inn und Schak-ke-line anhörte.
Zoe musste lachen. »Das ist echt fies.«
»Hier in den USA darf man seine Kinder ohnehin nennen, wie man will. Da kommt dir kein Standesamt dazwischen wie in Deutschland.«
»Heißt Gwyneth Paltrows Tochter nicht Apple?«
»Genau. Das arme Ding ist nach Fallobst benannt.«
»Und schau dir unsere Madison im Büro an. Ein Name wie eine Luxuseinkaufsmeile.«
»Stimmt! Die hat auch ihren Schaden weg.«
»Als Nächstes nennt einer seinen Nachwuchs noch Hermes oder Versace.«
»Bloß nicht!«
»Wir fassen also zusammen: Traue keinem mit superkreativem Vornamen. Er könnte eine schwere Kindheit gehabt haben.«
»Vor allem nicht, wenn er Uniform trägt.«
»Vor allem nicht, wenn er Uniform trägt!«
Dann packten sie ihre Sachen und machten sich auf zur DMV-Hauptstelle an der 34th Street in Manhattan, wo sie erneut ihr Glück versuchen wollten.
Auf der DMV-Stelle von Midtown angekommen zogen sie eine Nummer im dreistelligen Bereich, während laut Anzeige gerade die 57 bearbeitet wurde. Als ihre Nummer dann endlich dran war, wurden sie zu einem Schalter dirigiert, den eine unifomierte Frau bemannte. Auf ihrem Namensschild stand Chanelle.
»Das fass ich jetzt nicht«, war alles, was Eros rausbrachte. Zoe hatte es völlig die Sprache verschlagen.
Chanelle sah ein bisschen aus wie die deutsche Schauspielerin Katy Karrenbauer, die es aus der TV-Serie Hinter Gittern immerhin direkt in den Dschungelknast geschafft hatte, fand Zoe. Nur in Schwarz eben. Mit der möchte man nicht Roller-Derby fahren müssen. Oder schlammcatchen.
Zuerst sollten Zoe und Eros sich mal wieder ausweisen. Ein Pass oder ein Personalausweis reichte in den USA, die kein Melderegister kannten, dazu natürlich nicht aus, wussten die beiden schon von einem Merkzettel im Internet. Da hätte ja jeder mit einem von der Bundesrepublik Deutschland offiziell ausgestellten amtlichen Dokument daherkommen können. Nein, in den USA musste man Punkte sammeln. Erst ab sechs Punkten existierte man legitim. Ein ausländischer Reisepass, zum Beispiel, war lediglich zwei Punkte wert. Eine Stromrechnung immerhin einen Punkt. Eine Gehaltsabrechnung einen Punkt. Die Krankenversicherungskarte einen Punkt. Und so weiter. Ein New Yorker Waffenschein machte übrigens zwei Punkte her. Aber den besaßen weder Eros noch Zoe.
»Sind Sie eine Nonne?«, bellte Chanelle, als sie prüfend Zoes gesammelte Unterlagen zwecks Addition der Punkte durchblätterte.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, antworte Zoe, während
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