New York - Love Story
Ahnung, was ich zu ihnen sagen
könnte, um das Eis zu brechen. Andererseits habe ich auch
gar keine Lust darauf, gute Stimmung zu verbreiten – so wie
die beiden mich gerade reingelegt haben.
»Hey, lady. Time is money.« Erst als der indische Taxifahrer
mich wütend aus seinen dunklen Augen durch die Scheibe,
die den Fahrer von den Fahrgästen trennt, anfunkelt, fällt mir
auf, dass ich vergessen habe, ihm unser Ziel zu nennen. Oh,
nein! Wie lautet noch mal die Adresse? Mein Blick flackert
Hilfe suchend zu den Zwillingen, aber die haben ihre schmalen
Gesichter abgewandt und schauen konzentriert aus dem
Seitenfenster.
Shit!
In meinem Kopf sehe ich das Appartementgebäude,
aus dem wir heute Morgen herausgekommen sind. Aber das
hilft mir auch nicht weiter. Straßenname? Keine Ahnung!
Hausnummer? Fehlanzeige. Der Taxifahrer wird sichtlich
ungeduldig, hämmert mit seinen Fingern auf dem Lenkrad
herum. Da kommt mir ein rettender Gedanke: War nicht auf dem Brief, den Danuta mir gegeben hat, ein Briefkopf aufgedruckt?
Ich krame den Umschlag, den ich vorhin wegen
des Fahrtgeldes eingesteckt habe, aus meiner hinteren Jeanstasche.
Treffer!
Park Avenue
steht da in goldenen Buchstaben
und auch eine Hausnummer, die ich fast ein bisschen
stolz an den Taxifahrer weitergebe. Mit einem vernehmbaren
Schnaufen braust er los.
»Schon zurück?«, begrüßt Danuta uns überrascht, als wir die
Küche betreten.
»Hm«, gebe ich unbestimmt zurück und lasse mich auf
einen der Stühle am großen Esstisch aus dunklem Holz fallen.
Am liebsten würde ich der freundlichen Haushälterin
den Katastrophen-Vormittag im Detail schildern. Vielleicht
hat sie eine Idee, wie ich Madeleine Carter das Fiasko möglichst
schonend beibringen kann, bevor Professor Ono es tut.
Aber Gwyn und Gwen stehen erwartungsvoll neben mir –
und vor den beiden will ich mir keine Blöße geben.
»Essen ist gleich fertig«, verkündet Danuta, während sie
in einem Kochtopf rührt. Gwyn und Gwen laufen zum Herd
und spähen in den Topf, sehen sich an und verkünden unisono:
»Wir haben keinen Hunger.« Schon sind sie aus der
Küche verschwunden. Danuta seufzt.
»Mrs Carters Speiseplan«, erklärt sie. Es klingt wie eine
Entschuldigung.
Als sie einen gefüllten Teller vor mich auf den Tisch stellt,
kann ich die Zwillinge verstehen. Neben einem grauen Getreidefladen liegt ein Haufen undefinierbaren Grünzeugs,
aus dem jede Vitalität herausgegart wurde. Ich zwinge einige
Gabeln voll in mich hinein, denn nach dem mageren Frühstück
ist mein Hunger mittlerweile so groß, dass ich fast alles
essen würde. Es schmeckt noch fader, als es aussieht.
Telefonklingeln erlöst mich von meiner Mahlzeit. Danuta
nimmt den Hörer von einem Apparat an der Wand und spricht
ein paar kurze Sätze. Mehrmals sagt sie »Yes, Mrs Carter« und
reicht den Hörer dann an mich weiter.
»Madeleine hier«, höre ich die Stimme, die mir vom Vorabend
noch in Erinnerung ist. Sie klingt gut gelaunt, also
hat Professor Ono sie bisher wohl nicht angerufen. Trotzdem
merke ich, dass ich nervös bin. Was, wenn sie mich
nach dem Geigen-Unterricht fragt? Aber Madeleine scheint
kein Interesse daran zu haben, wie ich mit ihren Töchtern
klarkomme.
»Ich musste meine Pläne ändern«, erklärt sie mir. »Heute
Nachmittag haben wir einen Termin bei einem bekannten
Fotografen, um Bilder von mir und den Mädchen zu machen.
Bitte sorge dafür, dass Gwyneth und Gwendolyn ihre
Aufgaben direkt nach dem Mittagessen erledigen und du
sie anschließend umkleidest. Danuta wird dir die passenden
Kleider heraussuchen. Es ist wichtig, dass sie einen guten
Eindruck machen und hübsch aussehen. Verstanden?«
Ich nicke, dann fällt mir ein, dass Madeleine das am Telefon
ja nicht sehen kann. Also murmele ich: »Yes.«
»Der Fotograf ist ein sehr beschäftigter Mann, den wir auf keinen Fall warten lassen wollen. Achte also bitte darauf, die
Mädchen rechtzeitig fertig zu machen. Ich werde sie um Punkt
zwei Uhr abholen. Verstanden?«
»Okay.«
»Gut, dann bis später.«
Ich will den Hörer an Danuta zurückgeben, da fällt Madeleine
noch etwas ein.
»Haben die Mädchen brav aufgegessen?«
»Sie hatten keinen Hunger«, antworte ich wahrheitsgemäß.
Warum fragt Madeleine mich ausgerechnet nach dem
Essen? Ist dieser gesunde Fraß ihr derart wichtig?
»Nicole, so geht das nicht.« Madeleines belehrender Tonfall
bestätigt meine Vermutung. »Es ist entscheidend für die gesunde
Entwicklung von Kindern, dass sie eine
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