New York - MERIAN Portraet
blonde Mähne tief in die Stirn hängen und verkauft im Tower seine eigene bunte Krawattenkollektion. Derweil schnürt Tom Wolfe, der unbestechliche Beobachter, wie ein in die Jahre gekommener Dandy mit Hut und Stock durch die Stadt, stets die schillernde Faszination von New York und dessen Verderben im Blick.
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WOODY ALLEN
geb. 1935
Der geniale Autor, Schauspieler und Regisseur führt uns durch sein New York. Wir erleben die unverstellte Sichtweise eines auf Frauen fixierten Neurotikers, der mindestens genauso irre ist wie seine Stadt.
F ür mich ist New York immer der Ort der Verzauberung, der Erregung und der Lebensfreude. Ich möchte nirgendwo anders leben« , sagt Woody Allen – und spricht uns aus der Seele. Würden wir doch auch gern, jedenfalls ab und zu. »Das ist New York: Du gibst ihnen das Geld und wirst trotzdem erstochen« , spricht der Chef-Neurotiker, fuchtelt nervös mit seinen Händen herum und schaut vorwurfsvoll und verschreckt durch seine große schwarze Brille über die Schulter nach hinten. Ach Woody, was wäre das Leben ohne Widersprüche?
»Verrücktheit ist immer eine relative Sache. Wer weiß schon, wer von uns wirklich eine Schraube locker hat? Und während ich durch den Central Park streife, mit einer Chirurgenmaske und in mottenzerfressenen Kleidern, revolutionäre Lieder schmetternd und hysterisch lachend, frage ich mich, ob das, was ich hier tue, wirklich so verrückt ist. Denn, liebe Leser, ich war nicht immer schon das, was Sie unter einem New Yorker Irren verstehen … Nein, ich war mal ein höchst erfolgreicher Arzt an der East Side, der mit einem braunen Mercedes durch die Stadt fuhr und edle Tweedstoffe von Ralph Lauren trug. Das glauben Sie mir jetzt wahrscheinlich nicht, aber ich war tatsächlich einmal Dr. Ossig Parkis, ein bekanntes Gesicht bei Premieren, im Lincoln Center und auf den Hamptons, ein Mann mit einer beachtlichen Rückhand und großem Esprit, bevor ich begann, unrasiert und mit einem Ranzen auf dem Rücken den Broadway herunter zu skaten.«
Das ist Woody Allen, wie wir ihn kennen und lieben. Ein Gehetzter. Ein Loser. Einer von uns, fast. Schmächtig und ein bisschen verlottert, aber mit viel Grips und Stil. Und ehrlich gesagt, ertappen wir uns nicht auch manchmal dabei, wie wir uns in Selbstgesprächen verlieren? Vielleicht nicht mit ganz so brillanten Monologen, aber ebenso fruchtlosen.
Die Figur von Dr. Ossig Parkis aus seinem Buch »Side Effects« verkörpert par excellence den literarischen Prototyp von Woody Allen, der schon mit 16 Jahren, als er noch Allan Stewart Konigsberg heißt, professionelle Gags und Sketche schreibt. Kaum zu glauben, dass sein erster Auftritt in einem Club in
Greenwich Village
( ▶ E/F 5 ) völlig daneben geht. Doch dann macht er aus der Not eine Tugend und kultiviert sein nervöses, ungelenkes Herumstottern zu einem Markenzeichen, mit dem er seine Fans – insbesondere die Frauen – begeistert.
Der jüdische »Schmock« aus
Brooklyn
, der schon als Kind im Kino Zuflucht vor der Realität sucht, hat uns die Ängste vor Amerika genommen, einem Amerika, das zu amerikanisch ist. Woodys familiärer Hintergrund ist so europäisch wie das Manhattan, das er uns zeigt. Seine Eltern, die
Konigsbergs
, sprechen zu Hause oft jiddisch, und wenn sie streiten, was sie oft tun, dann ebenfalls zweisprachig. Gelegentlich sind Gäste im Haus, Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland. Bücher gibt es keine im Elternhaus, dafür hat
Brooklyn
viele Kinos und die haben eine Klimaanlage. Denn wenn es etwas gibt, was der blasse Rotschopf sein Leben lang hassen wird, dann ist es die Sonne und der Sommer und die Hitze.
ER LIEBT NEW YORK NOCH MEHR ALS DIE FRAUEN
Was er hingegen liebt und immer lieben wird, auch wenn es ihn ins Unglück stürzt, das sind die Frauen. Der ewige Dauerbrenner in all seinen Filmen. »Am liebsten bin ich mit einer schönen Frau zusammen, abgesehen von meiner Briefmarkensammlung« , kokettiert er. Letzte muss der begnadete Komiker selten als Lockmittel für das intime Nachspiel eines Dates ins Feld führen, weil ihm sein Humor eine viel raffiniertere Waffe zur Verfügung stellt.
»Ich war bereits in ihn verliebt, bevor ich ihn kannte, er war schließlich Woody Allen. Unsere gesamte Familie versammelte sich regelmäßig vor dem Fernseher, um ihn in der Johnny Carson Show zu bewundern. Er war so hip mit seinen dicken Brillengläsern und den coolen Anzügen« , gesteht die Schauspielerin
Diane Keaton
im Rückblick. Die
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