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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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es ganz schön scharf», sagte ich.
    «Solche Vorsichtsmaßnahmen hat man doch nicht nötig, wenn man nicht irgendeine konkrete Gefahr zu fürchten hat», argumentierte Newton.
    «Sind nicht alle Goldschmiede solchen Gefahren ausgesetzt?», wandte ich ein. «Sie haben doch mehr zu verlieren als nur ihr Leben. Ich wundere mich ja schon, dass Ihr keinen Degen tragt.»
    «Vielleicht habt Ihr ja Recht», räumte Newton ein. «Vielleicht sollte ich einen Degen tragen. Aber ich glaube nicht, dass ich es je nötig haben werde, zwei Degen zu tragen.»
    Mister Scroope kam wieder herein, in den Händen vier silberne Trinkbecher mit Repoussé-Dekor. Er übergab sie mit einigem Pomp dem Trinity College in Gestalt meines Herrn, welcher ja trotz seiner Pflichten als Münzwart noch immer die Lucas-Professur für Mathematik an der Universität Cambridge innehatte.
    «Die sind prachtvoll», sagte Newton, der die Becher mit wachsendem Vergnügen inspizierte. «Wirklich äußerst prachtvoll.»
    «Ich habe sie seit Jahren drunten in meinem Keller liegen und glaube, es ist an der Zeit, dass sie gebührend gewürdigt werden.
    Es sind antike griechische Stücke, aus einem spanische n
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    Schatzschiff geborgen. Neben der Goldschmiedearbeit habe ich mich als Investor in Schatzexpeditionen betätigt, gemeinsam mit Eurem Mister Neale.»
    «Mister Neale, dem Münzmeister?», fragte Newton.
    «Eben diesem. Vor ein paar Jahren entdeckten wir ein Wrack, die Nuestra Senora de la Concepción, die eine Menge Gold und Silber geladen hatte. Diese Kelche waren nur ein kleiner Teil meines Anteils.»
    Newton untersuchte immer noch höchst interessiert die Kelche.
    «Die Kelche tragen angeblich eine Darstellung der Geschichte des Nektanebus, des letzten einheimischen Königs von Ägypten, welcher zugleich ein großer Magier war. Ihr könnt Euch in der Historie des Kallisthenes über ihn informieren.»
    «Das werde ich bei nächster Gelegenheit tun», sagte Newton und verbeugte sich dann förmlich. «Ich danke Euch im Namen des Trinitiy College.»
    Scroope nickte, wobei er sich ein befriedigtes Lächeln gestattete und goss uns dann aus einem nicht minder erlesenen Silberkrug, welchen ein Diener hereingebracht hatte, heißen Gewürzwein ein und nachdem nun der Höflichkeiten genug gewechselt waren, setzten wir uns endlich hin. Der Wein erwärmte mich aufs Angenehmste, denn trotz des riesigen Holzscheits, welches auf zwei messingenen Kaminböcken von der Größe von Wolfshunden brannte, war mir doch von der Flussfahrt noch immer kalt bis ins Mark.
    «Und nun, Sir, erzählt doch bitte, was Euch hierher führt.»
    «Laut meinen Informationen kanntet Ihr Mister George Macey.»
    «Ja, natürlich. George. Ist er wieder da?»
    «Bedauerlicherweise ist die Sache noch immer ungeklärt», umging Newton geschickt eine Lüge. «Aber darf ich fragen, wie es zu dieser Bekanntschaft kam?»
    «Das bereits erwähnte Wrack, in das Mister Neale und ich
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    investiert hatten, wurde nach Deptford gebracht, wo Mister Neale und ich uns persönlich einfanden, um das Entladen des Schatzes zu beaufsichtigen und uns unseren jeweiligen Anteil abzuholen. Letzteres natürlich erst, nachdem Mister Neale in seiner Eigenschaft als Münzmeister den Anteil der Krone beiseite gelegt hatte. Mister Macey begleitete Mister Neale und assistierte ihm bei seinen Amtspflichten. Das war, wohlgemerkt, schon vor mehreren Jahren.
    Nicht lange darauf wurde eine zweite Expedition ausgerüstet, um den Rest des Schatzes, welchen die erste hatte zurücklassen müssen, ebenfalls zu bergen. Mister Neale investierte erneut, ich nicht, weil ich es vorzog, meinen ansehnlichen Gewinn dazu zu benutzen, mich als Gold- und Silberschmied zu etablieren. Ich verstehe nichts von Schmiedekunst. Ich bin kein Benvenuto Cellini. Ich ziehe es vor, andere für mich arbeiten zu lassen.
    Aber in diesem Geschäft sind beträchtliche Profite zu machen.
    Und das ist mir gelungen.»
    «Das ist offensichtlich», sagte Newton.
    «Jedenfalls war der zweiten Expedition kein Erfolg beschieden und Mister Neale verlor einiges Geld, was er zum Teil mir anlastete. Mister Macey und ich sind jedoch Freunde geblieben.»
    An diesem Punkt warf Mister Scroope einen unsicheren Seitenblick auf mich, so als sei da eigentlich noch etwas, was er sagen wollte. Newtons scharfe Augen registrierten es sofort.
    «Vor Mister Ellis könnt Ihr offen reden», sagte er. «Er genießt mein volles Vertrauen und als Münzbeamter hat er Geheimhaltung

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