Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Doch heute morgen hatte er im hohen Schnee den Weg verloren. Es hatte wieder zu schneien bego n nen. Die Sicht reichte kaum dreißig Schritt weit. Er stand inmi t ten eines Waldes, umgeben von kahlen schwarzen Bäumen, deren Äste unter der Last des Schnees knarrten. Alle Pfade, von denen man ihm erzählt hatte, lagen unter der Schneedecke ve r borgen, und der graue, wolkenverhangene Himmel machte es unmöglich, sich zu orientieren.
    Volker trug eine Fellweste und pelzgefütterte Stiefel. Seine Hände steckten in Fäustlingen aus Leder, unter denen er noch wollene Handschuhe angezogen hatte. Doch nichts mochte die eisige Kälte der Berge zu bannen. Der Winter nagte an seinen Kräften. Langsam hatte der Frost sich durch all diese Kle i dungsschichten hindurchgefressen. Wie ein Widergänger rau b te die Kälte ihm die Kräfte. Nicht mehr lange, und es wäre vo r bei …
    Er mußte sich zwingen, noch weiter zu gehen. Bei jedem Schritt sank er fast bis zu den Knien durch die verharschte Schneedecke. Wie einfach wäre, es sich fallen zu lassen. Er war müde. Der Schnee wirkte wie ein großes, sauberes Leintuch … Wenn er sich nur für ein paar Augenblicke hinstrecken würde, um auszuruhen, dann würden seine Kräfte wiederkehren. Er würde sicher schnell einschlafen, so erschöpft, wie er war. Wenn er dann erwachte, wäre er erholt und könnte seinen Weg fortsetzen, um …
    »Sei kein Narr!« Seine Stimme hallte von den Bergen auf der anderen Seite des Tals wider, so laut hatte er in die Einsamkeit geschrien. Er durfte sich nicht solch trügerischen Tagträumen hingeben! Wenn er sich hier schlafen legte, würde er nie wieder erwachen. Er mußte sich wach halten! Vielleicht sollte er eines seiner alten Lieder singen. Als er noch sehr jung war, hatte er einmal etwas über die Heldentaten Theoderichs gedichtet. Wenn er sich anstrengte, konnte er sich vielleicht noch erinnern. Stockend begann er die Verse aufzusagen.
    »Da suchte der Herr Dietrich selbst seine Rüstung.
    Ihm half Meiste r Hildebrand, sich zu waffnen.
    Da klagte der kraftvolle Mann so sehr … «
    Volker versagte die Stimme. Deutlich erinnerte er sich jetzt an den Tag, an dem er diese Verse gedichtet hatte. Es war nach einem Traum gewesen, von einer großen Halle, in der Flammen nach gewappneten Helden leckten. Gunther war dort gewesen und auch Hagen. Und er selbst. Ein alter Mann mit grimmigen Augen war ihm entgegengetreten …
    » Du bist es also, der sich einen Narren nennt! Wohl gespr o chen, Volker!«
    Erschrocken blickte der Spielmann auf. Er hatte immer einen Fuß vor den anderen gesetzt, ohne noch darauf zu achten, w o hin sein Weg ihn führte. Der Wald endete vor einer Klippe, die knapp fünf Schritt hoch sein mochte. Wie eine Mauer zog sie sich um die Bergflanke. Fast genau über ihm, am Rand des Fe l sens stand eine Gestalt in schwarzem Umhang und mit ble i chem Gesicht.
    Die Morrigan! Das mußte die Stunde seines Todes sein, und sie war gekommen, um ihn zu sich zu holen. Er kniff die Augen zusammen. Dann blickte er wieder nach oben, um sicher zu sein, daß er in seiner Erschöpfung nicht schon Trugbilder sah. Die Gestalt stand noch immer am Rand der Klippe. Eine Locke roten Haares lugte unter ihrer Kapuze hervor.
    »Du?« Er traute seinen Augen kaum. »Wie kann das sein? Weiche von mir, du Teufel, der du mir erschienen bist, um meine Seele zu verwirren!«
    »Mit Worten allein wirst du mich diesmal nicht vertreiben! Ich bin hier, um dir deine Toten zu zeigen. Narr hast du selbst dich genannt. Und es ist wahr, du bist ein Narr! Gehe fünfzig Schritt nach links! Dort wirst du eine Felsspalte finden, in der ein Weg hier hinaufführt. Versuche nicht noch einmal, deinem Schicksal davonzulaufen. Es ist dir bestimmt, der Auserwählte zu sein, auch wenn dein Herz kälter als der grimme Winterfrost ist!« Die Gestalt trat zurück und verschwand aus Volkers G e sichtsfeld.
    Diese verfluchte Bardin! Was machte sie hier? Und was sollte dieser Auftritt. »Komm heraus und zeige dich! Belliesa! Wie kommst du hierher?«
    Wütend stampfte der Spielmann die Klippe entlang, bis er die Felsspalte erreichte. Der Weg hinauf war steil und vereist. I m mer wieder rutschte er ab und schlitterte hinunter. Es waren nur ein paar Schritt, und doch schien eine Ewigkeit zu verg e hen, bis es ihm endlich gelang, sich bis nach oben zu kämpfen.
    Suchend blickte er sich um. Die Bardin war nirgends mehr zu sehen. Es war, als habe sie der Erdboden

Weitere Kostenlose Bücher