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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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aufs Dach, von dort auf den Rasen springen und losrennen.
    Der Vorteil war, dass einen die Dunkelheit verbarg. Der Nachteil war, dass das Fenster, ein großes, hohes Fenster, vor Jahren fest zugeschraubt worden war. Man musste die Scheibe einschlagen und dann auf Mr Toms’ Dach springen. War das geschafft, hätte man nicht nur Mr und Mrs Toms aus ihrem wohlverdienten Schlaf geweckt, sondern auch das halbe Heim wäre sofort aus dem Bett und hinter einem her.
    Und alles im Schlafanzug. Toms sorgte dafür, dass Kleidung und Schuhe der Jungen über Nacht weggeschlossen waren.
    »Na und?«, sagte Davey. »Müssen wir uns eben draußen was klauen, nich?«
    Der Ausbruch in der Nacht war erfolgversprechender, meinte Davey. Das versuchten allerdings nur wenige, denn wer scheiterte, hatte deutlich härtere Konsequenzen zu tragen. Ein Fenster einzuschlagen galt als Vandalismus. Mr James hasste Vandalismus fast so sehr wie Schlägereien. Wenn die Bullen eingeschaltet wurden, konnte man sogar wegen Sachbeschädigung einfahren. Das war das eine; aber wenn Toms einen in die Finger bekam, dann war alles zu spät. Dann floss buchstäblich wochenlang Blut.
    Deswegen war der Flatterweg beliebter.
    »Aber ich glaub, dassn Fehler«, sagte Davey. »Flatterweg is zu riskant, die Aufpasser rennen immer schneller. Durchs Fenster is der einzige Weg, Alter. Kannste mir glauben.«
    Sie klatschten ab. Ausbruch in der Nacht.

15
  Ausbruch in der Nacht
     
    Um halb zehn wurde das Licht gelöscht. Sie wollten wach bleiben, bis die anderen eingeschlafen und alle Erzieher im Bett waren – man konnte sie hören, solange sie im Haus herumliefen, und von Daveys und Nicks Schlafraum aus konnte man sehen, wann das Licht in Mr Toms’ Wohnung ausging. Danach wollten sie noch eine Stunde oder so warten, bis wirklich alles still war. Sie würden erst aufstehen, wenn sie eine ganze Weile lang überhaupt nichts mehr gehört hatten.
    »Sobald wir aus dem Gebäude raus sind, ist es gut«, sagte Nick. Ihre Hauptfeinde waren die knarrenden Dielen und die quietschenden Türen. Es ging das Gerücht, dass Mr Toms den Hausmeister anwies, die Türen nie zu ölen, damit jede Bewegung bemerkt wurde. Das Einschlagen des Fensters würde natürlich alle wecken, das würde meilenweit zu hören sein. Sie müssten die Scherben rausgeschlagen haben und durch das gezackte Loch geschlüpft sein, noch bevor die Aufsichtsschüler aus ihren Betten und die wenigen Meter durch den Flur bis zu ihnen gerannt waren – das war nicht leicht.
    Sie entschieden sich für Freitagnacht. Da am nächsten Tag das Wochenende anfing, hätten weniger Erzieher Dienst und draußen auf den Straßen würde mehr los sein – da wären ihre Chancen größer, meinten sie.
    Abends zur Schlafenszeit das Übliche. Einige Spritzer lauwarmes Wasser zum Waschen und Zähneputzen, Anstaltspyjamas an. In die Schlafräume, ins Bett, Licht aus. Die Jungen scharrten und knurrten wie Hunde, wenn sie sich niederlegten. Einige wimmerten und weinten, weil sie an die Menschen draußen dachten, die sie lieb hatten und die – mit etwas Glück – diese Liebe auch erwiderten.
    »Hör auf zu heulen«, rief jemand. Es dauerte nicht lange, bis der Schlaf kam, die Jungen waren erschöpft. Die Atemzüge wurden ruhig und tief. Nick lag mit weit offenen Augen und starrte an die Decke. Von überall im Gebäude hörte er Schritte auf blanken Dielen, hörte er Türen klappen und Schlüssel drehen. Die Erzieher verzogen sich in ihre eigenen Häuser und Wohnungen. Dann das lange Warten.
    Nick tat alles, um wach zu bleiben, aber es war schwer. Er sang im Kopf Lieder, versuchte sich an seine Mum und an seine Freunde draußen zu erinnern. Er war so müde. Die zwei Stunden Sport am Tag, das wenige Essen, der ständige Stress, die Prügel zu vermeiden, machten einen fertig. Und unter der Decke war es so warm …
    Er wagte nicht, sich zu rühren oder sich im Bett herumzuwälzen. Andrews befand sich im selben Raum. Alle wussten, dass er wie ein Stein schlief, trotzdem wollte Nick jedes Geräusch vermeiden.
    Langsam verstrichen die Stunden. Ein paarmal nickte er tatsächlich ein, schreckte aber immer wieder durch einen Traum hoch. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wie lange mochte er geschlafen haben? Nach wie vor drang ein heller Schein durch das Fenster am Ende des Gebäudes. Bei Toms brannte noch Licht. Also konnte Nick nur kurz weggedöst sein.
    »Manno!«, stöhnte er vor sich hin. Das hieß, es war erst elf oder höchstens

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