Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
wenn Saint-Germain gedacht hatte, dass der Schaden im Flur schlimm sei, traf ihn die Verwüstung in der Küche wie ein Schock.
Die gesamte Rückseite des Hauses fehlte.
Sophie und Johanna standen mitten in den Trümmern. Seine Frau hatte die Arme fest um das zitternde Mädchen gelegt und stützte es. Johanna trug einen glänzenden blaugrünen Satinpyjama und Panzerhandschuhe und in einer Hand hielt sie noch ihr Schwert. Sie drehte den Kopf, als ihr Mann den Raum betrat. »Du hast was verpasst«, sagte sie auf Französisch. »Jetzt ist der Spaß vorbei.«
»Ich habe nichts gehört«, entschuldigte er sich in derselben Sprache. »Was war los?«
»Das Ganze hat nur ein paar Minuten gedauert. Sophie und ich haben hinter dem Haus Geräusche gehört. Wir sind nach unten gelaufen und haben gerade noch gesehen, wie zwei Frauen die Eingangstür zerschmettert haben. Es waren Disir, und sie haben gesagt, sie seien wegen Scathach gekommen. Eine hat mich angegriffen, die andere hat sich Sophie vorgeknöpft.« Obwohl sie in einem unbekannten französischen Dia lekt sprach, senkte sie die Stimme zu einem Flüstern. »Francis … das Mädchen. Sie ist etwas ganz Besonderes. Sie hat zwei unterschiedliche Magiezweige miteinander kombiniert und Feuer- und Luftmagie eingesetzt, um die Disir zu besiegen. Dann hat sie sie in Nebelschwaden gewickelt und die zu einem Eisklotz gefroren.«
Saint-Germain schüttelte den Kopf. »Es ist kräftemäßig unmöglich, mehr als eine Elemente-Magie auf einmal anzuwenden …«, sagte er, wobei auch seine Stimme immer leiser wurde. Der Beweis für Sophies Kräfte lag mitten im Flur. Es gab eine Legende, nach der die mächtigsten Wesen des Älteren Geschlechts in der Lage waren, sämtliche Zweige der Elemente-Magie gleichzeitig anzuwenden. Den ältesten Mythen zufolge war dies der Grund – einer der Gründe – für den Untergang von Danu Talis.
»Josh ist weg.« Abrupt befreite Sophie sich aus Johannas Umarmung und wandte sich dem Grafen zu. Dann schaute sie über seine Schulter zur Tür, an deren Rahmen ein aschfahler Flamel lehnte. »Irgendetwas hat Josh mitgenommen«, keuchte sie verzweifelt. »Und Scatty ist hinterher.«
Der Alchemyst trat in die Küche, schlang die Arme um seinen Oberkörper, als sei ihm kalt, und blickte sich um. Dann bückte er sich und hob Scattys zwei kurze Schwerter auf, die zwischen den Trümmern lagen. Als er sich wieder zu den anderen umdrehte, stellten die erschrocken fest, dass in seinen Augen Tränen glänzten. »Es tut mir leid«, sagte er. »Es tut mir so entsetzlich leid. Ich habe Angst und Zerstörung in dein Haus gebracht. Es ist unverzeihlich.«
»Den Schaden am Haus können wir reparieren«, meinte Saint-Germain leichthin. »Jetzt haben wir die Ausrede, die wir brauchten, um alles neu zu machen.«
»Nicholas, was ist hier passiert?«, fragte Johanna ernst.
Der Alchemyst zog sich den einzigen heilen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, saß er in sich zusammengesunken da und blickte auf die glänzenden Schwerter, drehte sie in seinen Händen hin und her. »Das in dem Eisblock sind Disir. Walküren. Scathachs schlimmste Feinde, obwohl sie mir nie gesagt hat, warum. Ich weiß, dass sie seit Jahrhunderten hinter ihr her sind und sich immer mit ihren Feinden verbündet haben.«
»Sie haben das hier angerichtet?« Saint-Germain schaute sich in der verwüsteten Küche um.
»Nein. Aber sie haben offensichtlich etwas mitgebracht, das dafür verantwortlich ist.«
»Was ist mit Josh?«, wollte Sophie wissen. Sie hätte ihn nicht allein lassen dürfen in der Küche, sie hätte bei ihm bleiben sollen. Was immer von hinten ins Haus gekommen war, sie hätte es besiegt.
Nicholas hielt Scathachs Waffen hoch. »Ich glaube, du solltest eher fragen, was mit der Kriegerin ist. In all den Jahrhunderten, die ich sie nun schon kenne, hat sie ihre Schwerter nie aus der Hand gegeben. Ich fürchte, man hat sie entführt …«
»Schwerter … Schwerter …« Sophie begann verzweifelt, den Schutt zu durchsuchen. »Als ich ins Bett gegangen bin, ist Josh gerade vom Schwerttraining mit Scatty und Johanna zurückgekommen. Er hatte das Steinschwert dabei, das du ihm gegeben hast.« Sie rief einen Wind, damit er für sie einen schweren Mauer brocken wegrückte. Sie wollte den Boden darunter sehen. Wo war das Schwert? Hoffnung keimte in ihr auf. Hätte man ihn gefangen genommen, müsste das Schwert doch auf dem Boden liegen, oder? Sie
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