Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Treppe hinuntergetragen zu haben.
Josh schaute Scathach an; ihre grünen Augen leuchteten. »Sie erholt sich doch wieder?«
Die keltische Kriegerprinzessin öffnete den Mund, um zu antworten, doch Flamel brachte sie mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. Er legte Josh die Hand auf die Schulter, aber der Junge schüttelte sie ab. Falls Flamel diese abwehrende Geste bemerkt hatte, ignorierte er sie. »Sie braucht lediglich Schlaf. Dass sie so kurz nach dem Schmelzen der Tulpa den Nebel entstehen ließ, hat ihr den letzten Rest ihrer Kraft geraubt«, sagte er.
»Das mit dem Nebel war deine Idee«, erwiderte Josh vorwurfsvoll.
Nicholas breitete die Arme aus. »Was hätte ich sonst tun können?«
»Ich … ich weiß es auch nicht«, musste Josh zugeben. »Aber irgendetwas hätte es sicher gegeben. Ich habe schon gesehen, wie du Speere aus grüner Energie geworfen hast.«
»Der Nebel hat es uns ermöglicht, zu entkommen, ohne jemandem zu schaden.«
»Außer Sophie«, konterte Josh bitter.
Flamel schaute ihn lange an, bevor er sich abwandte. »Gehen wir.« Er wies mit dem Kinn auf eine dunkle Seitenstraße, die steil nach unten führte, und sie folgten ihr rasch. Scathach trug Sophie ohne jede Anstrengung. Josh hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten, aber er würde seiner Schwester nicht von der Seite weichen.
»Wohin?«, erkundigte sich Scathach.
»Wir müssen runter von der Straße«, erwiderte Flamel leise. »Wie es aussieht, sind sämtliche Gendarmen der Stadt oben bei Sacré-Cœur. Ich habe auch Spezialeinheiten gesehen und Poli zei in Zivil, vermutlich vom Geheimdienst. Sobald sie merken, dass wir nicht in der Kirche sind, riegeln sie das Gebiet wahrscheinlich großräumig ab und durchsuchen es Straße für Straße.«
Scathach lächelte kurz. »Und wir müssen zugeben: Ganz unverdächtig sehen wir nicht aus.«
»Wir müssen uns irgendwo – «, begann Nicholas Flamel.
Der Polizist, der in diesem Moment im Laufschritt um die Ecke bog, sah nicht älter aus als neunzehn. Er war groß, schlank und schlaksig, hatte rote Wangen und auf seiner Oberlippe spross der flaumig-stoppelige Beginn eines Schnauzbärtchens. Eine Hand hatte er an seinem Halfter, mit der anderen hielt er seine Mütze fest. Direkt vor ihnen kam er zum Stehen und brachte noch ein erschrockenes » He! Arrêtez! « heraus, während er versuchte, die Pistole aus dem Halfter zu ziehen.
Nicholas streckte schnell den Arm aus, und Josh sah, wie grüner Nebel um die Hand des Alchemysten waberte, bevor seine Finger über die Brust des Gendarmen strichen. Smaragdgrünes Licht blitzte um die Gestalt des Polizisten auf und ließ seine Umrisse leuchten. Dann sackte der Mann lautlos in sich zusammen.
»Was hast du getan?«, flüsterte Josh entsetzt. Er schaute den jungen Polizisten auf dem Boden an und ihm war plötzlich kalt und schlecht. »Du hast ihn … du hast ihn doch nicht … umgebracht?«
»Nein«, erwiderte Flamel müde, »ich habe nur seine Aura zu stark aufgeladen, ähnlich wie bei einem elektrischen Schock. Er wacht bald wieder auf und wird lediglich Kopfschmerzen haben.« Er legte die Fingerspitzen auf seine Stirn und massierte die Stelle über dem linken Auge. »Ich hoffe, sie sind nicht halb so schlimm wie meine«, fügte er hinzu.
»Du bist dir darüber im Klaren, dass dieser kleine Auftritt hier Machiavelli unseren Standort verraten hat, ja?«, fragte Scathach grimmig.
Ihre Nasenflügel bebten und Josh atmete tief ein. Die Luft roch intensiv nach Pfefferminze, dem unverwechselbaren Duft von Flamels Kräften.
»Was hätte ich denn machen sollen?«, wehrte Nicholas sich. »Du hattest ja die Hände voll.«
Scatty kräuselte verächtlich die Lippen. »Ich hätte ihn trotzdem übernehmen können. Hast du vergessen, wer dich aus dem Lubianka-Gefängnis befreit hat, die Hände in Handschellen auf dem Rücken?«
»Wovon redet ihr? Wo ist Lubianka?«, fragte Josh irritiert.
»Moskau.« Nicholas schaute Josh von der Seite her an. »Frag nicht. Es ist eine lange Geschichte«, murmelte er.
»Er sollte als Spion erschossen werden«, erzählte Scathach grin send.
»Eine sehr lange Geschichte«, betonte Flamel.
Während Josh hinter Scathach und Flamel durch die gewundenen Gassen von Montmartre ging, musste er daran denken, wie John Dee Nicholas Flamel erst einen Tag zuvor beschrieben hatte.
»Er war schon viel im Lauf seines Lebens: Arzt und Koch, Buchhändler, Soldat, Lehrer, Rechtsgelehrter und Dieb. Aber er ist heute, was er immer war:
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