Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
so, dass er dem Jungen zugewandt war. Josh fiel auf, dass mit jeder Bewegung winzige Flocken zu Boden segelten, die aussahen wie versteinerte Hautpartikel.
Dee hob die Stimme, bis er fast schrie: »Die erste Prophezeiung des Codex hat sich bereits erfüllt. Wir haben die zwei gefunden, die eins sind. Wir haben die legendären Zwillinge gefunden.« Er wies mit der Hand auf Josh. »Dieser Humani-Junge besitzt eine Aura aus reinem Gold. Die seiner Schwester ist aus reinem Silber.«
Mars legte den Kopf zur Seite, betrachtete Josh eine Weile und streckte dann eine Hand im Eisenhandschuh nach ihm aus. Sie war noch einen halben Meter von seiner Schulter entfernt, als seine Aura zu leuchten begann. In der Kammer wurde es hell, die polierten Knochen an den Wänden strahlten golden, was Phobos und Deimos veranlasste, sich rasch in den Schutz des Sockels zu flüchten. Die trockene Luft roch plötzlich intensiv nach Orange.
Josh musste die Augen zukneifen vor dem Strahlen, das von seinem eigenen Körper ausging. Er spürte, wie ihm die Haare zu Berge standen und vor statischer Elektrizität nur so knisterten, und beobachtete staunend, wie die harte Kruste von der Hand des Gottes abfiel und gebräunte, kräftige Finger zum Vorschein kamen. Dann begann auch seine Aura zu glühen und ein dichter purpurroter Nebel umgab ihn. Plötzlich bekam die gesunde Haut des Gottes rote Flecken, als winzige Funken sich aus der Aura lösten und an der Haut festklebten. Sie erkalteten rasch und bedeckten ihn mit einem grauweißen, steinähnlichen Schorf. Josh runzelte die Stirn. Wie es aussah, härtete die Aura des Gottes zu einer dicken Schale um ihn herum aus und ließ ihn langsam wieder zu Stein werden.
»Die Kräfte des Mädchens wurden bereits geweckt.« Dees Stimme wurde als Echo von den Wänden zurückgeworfen. »Die des Jungen noch nicht. Wenn unser Vorhaben gelingen soll, wenn wir das Ältere Geschlecht zurückbringen wollen, müssen auch die Kräfte dieses Jungen geweckt werden. Mars Ultor, wirst du die Kräfte des Jungen wecken?«
Der Gott setzte die Spitze seines langen Breitschwerts auf den Boden und beugte sich vor, um sich Josh genauer anzusehen. Die Schwertspitze war sofort in den Boden eingedrungen.
Keine Angst und keine Panik zeigen! Josh straffte wieder die Schultern und schaute dann direkt in die schmalen Schlitze im Steinvisier. Einen Herzschlag lang glaubte er, dahinter intensiv blaue Augen aufblitzen zu sehen, bevor es wieder rot zu glühen begann. Joshs Aura verblasste und sofort krochen die beiden Satyrn aus ihrem Versteck, kletterten auf den Sockel und schauten rechts und links hinter dem Gott hervor. Der Hunger in ihrem Blick war unverkennbar.
»Zwillinge.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Josh begriff, dass Mars gesprochen hatte. Seine Stimme war überraschend leise und er klang vollkommen erschöpft. »Zwillinge?« Jetzt steckte eindeutig eine Frage hinter dem Wort.
»J-ja«, stammelte Josh. »Ich habe eine Zwillingsschwester. Sie heißt Sophie.«
»Ich hatte auch einmal Zwillinge, zwei Jungen … Das ist lange her«, sagte Mars gedankenverloren. Das rote Leuchten im Helm erlosch und blaue Augen blinzelten. »Brave Jungen, tapfere Jungen«, fügte er hinzu, aber Josh war sich nicht sicher, an wen die Worte gerichtet waren. »Wer ist älter?«, fragte er dann. »Du oder deine Schwester?«
»Sophie«, antwortete Josh und musste lächeln. »Aber nur achtundzwanzig Sekunden.«
»Liebst du deine Schwester?«
Damit hatte Josh nicht gerechnet. »Ja … Also, ich meine … Ja, natürlich liebe ich sie.« Dann hatte er sich von der Überraschung erholt und fügte mit fester Stimme hinzu: »Sie ist schließlich meine Zwillingsschwester.«
Mars nickte. »Romulus, der jüngere meiner beiden Söhne, sagte das auch. Er hat mir hoch und heilig versichert, dass er seinen Bruder Remus liebt. Und dann hat er ihn umgebracht.«
In der Knochenkammer wurde es totenstill.
Josh sah, wie die blauen Augen des Gottes feucht wurden, und er merkte, dass auch ihm Tränen des Mitleids kamen. Dann verdampften die Tränen des Gottes zischend, als seine Augen wieder rot aufglühten. »Ich hatte die Auren meiner Söhne erweckt und ihnen zu Kräften und Fähigkeiten verholfen, die weit über die der Humani hinausgingen. Alle ihre Sinne waren geschärft und ihre Emotionen verstärkt, einschließlich Hass, Angst und Liebe.« Er hielt kurz inne, dann fügte er hinzu: »Sie waren sich sehr nah … so nah. Bis ich ihre Sinne geschärft habe.
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