Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
zitterte.
»Man hat mir gesagt, du würdest meinen Anweisungen folgen«, unterbrach Dee.
Nereus ignorierte ihn ein zweites Mal und wandte sich an Machiavelli. »Ist es so weit?«
Der Italiener nickte. »Es ist so weit. Hast du es mitgebracht?«
»Ja.« Der Alte Mann aus dem Meer blickte von Machiavelli zu Dee und wieder zurück zu Machiavelli. »Wer will dem Lotan die Befehle erteilen?«
»Ich.« Dee trat einen Schritt vor.
»Natürlich«, blubberte Nereus. Ein Tentakel löste sich von dem Felsbrocken, schoss auf Dee zu, wickelte sich um sein Handgelenk und zog ihn mit einem Ruck nach vorn. Der Unsterbliche hatte nicht einmal Zeit zu schreien. Virginia Dare machte mit ihrer Flöte in der Hand einen Schritt auf ihn zu, doch ein Blick von Nereus ließ sie innehalten. »Mach keine Dummheiten. Wenn ich seinen Tod wollte, hätte ich ihn von diesem Felsen pflücken und an meine Töchter verfüttern können.« Hinter ihm tauchte ein Dutzend grünhaariger Nereiden aus dem Wasser auf. In den offenen Mündern waren die Piranhazähne zu sehen. »Und wir beide haben noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen wegen deiner Untat von vorhin. Ich liebe meine Familie nämlich über alles.«
»Du bist nicht der erste Ältere, der mir droht.« Virginias grausames Lächeln machte sie hässlich. »Und du weißt, was mit dem anderen passiert ist.«
Der Gestank nach fauligem Fisch wurde noch intensiver. Billy und Josh würgten und wichen ein Stück zurück.
Virginia warf den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. »Wie ich den Geruch der Angst liebe!«
Nereus wandte sich wieder an Dee. »Ein kleines Geschenk für dich.« Damit legte er etwas, das aussah wie ein kleines blau geädertes Ei, in Dees Hand und bog die Finger des Doktors darüber. Über die Faust legte sich ein Tentakel und schloss sie fest. »Du darfst die Hand nicht öffnen«, schärfte Nereus ihm ein, »egal was du tust.« Dann drückte er zu und man hörte das unverwechselbare Geräusch einer zerbrechenden Eierschale.
»Warum nicht?«, fragte Dee. Im nächsten Augenblick keuchte er und vor Schmerz traten ihm fast die Augen aus dem Kopf.
»Ja, ja«, blubberte Nereus weiter und verzog das Gesicht zu einem grausamen Grinsen. »Dann hat dich jetzt wohl der Lotan gebissen.«
Dee schauderte, sagte aber nichts. Die grauen Augen waren auf das Gesicht des Älteren gerichtet.
»Mutig bist du, das muss man dir lassen.« Nereus’ Lächeln wurde breiter und noch grausamer. »Man sagt, der Biss des Lotans sei noch schmerzhafter als der Stich eines Skorpions.«
Der Doktor war kreidebleich, sein Blick starr. Auf seiner Stirn bildeten sich gelbe Schweißtropfen und die Luft stank nach Schwefel. »Ich dachte …«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich dachte, er wäre größer.«
Billy zwinkerte Josh zu. »Das dachte ich auch.«
»Kommt noch.« Nereus lachte. »Er muss nur erst ein bisschen Blut zu sich nehmen.«
Dee zitterte jetzt heftig am ganzen Körper. Er versuchte, seinen linken Arm freizubekommen, doch ein weiterer Tentakel hatte sich darum gewickelt.
»Sobald er dein Blut geschmeckt hat, ist er an dich gebunden. Dann tut er, was du von ihm verlangst. Aber du musst rasch handeln. Ein Lotan ist wie eine Eintagsfliege; er hat nur ein sehr kurzes Leben. Du hast drei, maximal vier Stunden, bevor er stirbt.« Nereus nahm seine Tentakeln von Dees Arm und fügte hinzu: »Aber das sollte reichen, um die Zerstörung der Humani-Stadt einzuläuten.«
Josh blickte dem Alten Mann aus dem Meer nach, wie er über die Felsen am Rand der Insel kroch und dann in das eiskalte grünliche Wasser der Bucht glitt. Frauenköpfe tauchten um ihn herum auf und grünes Haar breitete sich wie Tang auf der Wasseroberfläche aus. Der Ältere drehte sich noch einmal um und heftete seinen Blick auf Josh. Er runzelte die Stirn, als versuchte er, sich an etwas zu erinnern, schüttelte dann aber den Kopf und tauchte unter. Eine nach der anderen verschwanden auch die Nereiden wieder.
Dee schwankte und Virginia lief rasch zu ihm. Die Haut des Magiers war aschfahl. Seine linke Hand war immer noch zur Faust geschlossen, doch zwischen seinen blaurot verfärbten Fingern sickerte Blut hindurch.
»Helft mir doch!«, rief Virginia.
Billy kletterte über die Steine, schlang einen Arm um Dees Taille und hielt ihn so aufrecht. »Ich habe ihn.«
»Bringen wir ihn nach oben«, sagte Virginia.
»Nein«, brüllte Machiavelli. »Wartet!« Er balancierte vorsichtig über die schlüpfrigen
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