Nicholas' Geheimnis (German Edition)
lauten Klagen über Haushaltsprobleme beendeten das plötzlich absurd erscheinende Thema Schmuggel. »Nun sag mir mal, Melanie, wie fandest du Nicks Haus?«
Rosa Lichtstreifen zogen sich über den Himmel und das Meer, als der neue Tag heraufdämmerte. Die Luft war warm und feucht. Ein schöner Neubeginn nach einer ruhelosen Nacht.
Melanie lief den Strand entlang und beobachtete den Sonnenaufgang. So hatte sie sich ihre Ferien hier vorgestellt – eine einsame Bucht, zerklüftete Klippen, weißer, glitzernder Sand, am Strand liegen, Muscheln suchen und in den Tag hineinleben. Hatten ihr Vater und Liz ihr das nicht eingehämmert?
Melanie musste lachen bei diesem Gedanken. Ihr Vater und Liz hatten die Rechnung ohne Nicholas Gregoras gemacht.
Dieser Mann war ein Rätsel, das sie nicht lösen konnte, ein Puzzle, das sich nicht zusammenfügen ließ. Halb fertige Puzzlespiele hatte sie aber noch nie leiden können.
Melanie wirbelte mit den Fußspitzen kleine Sandfontänen auf. Nick war ein Mann, den sie einfach nicht einordnen konnte. Dass sie es dennoch immer wieder versuchte, gefiel ihr selbst nicht.
Und dann Iona … noch ein Rätsel. Alex’ launische Cousine war mehr als nur eine Frau mit einem unangenehmen Charakter. Irgendetwas verbarg sich in ihrem Inneren. Alex kannte das Geheimnis, dessen war Melanie sicher. Und Dorian kannte es auch, wenn sie nicht alles täuschte. Aber was war es?
Iona hatte auf das Thema Schmuggel völlig anders als Alex und Dorian reagiert. Die beiden Männer standen ihm gleichgültig, wenn nicht gar amüsiert gegenüber. Iona dagegen war zu Tode erschrocken. Fürchtete sie sich vor irgendwelchen Entdeckungen? Aber das war doch absurd.
Melanie schüttelte den Kopf und verdrängte den Gedanken. Sie war nicht an den Strand gegangen, um zu grübeln, sie wollte Muscheln suchen. Sie krempelte ihre Jeans hoch und watete durch das seichte Wasser zu einer Sandbank zwischen den Klippen. Wohin sie blickte, glitzerten Muscheln, auf den Klippen, im Sand und im flachen Wasser. Manche waren zertreten oder durch die leichte Unterwasserströmung glatt geschliffen. Melanie bückte sich und steckte die schönsten Exemplare in ihre Jackentaschen.
Ihr Blick fiel auf den Rest einer schwarzen Zigarette im Sand. Alex kommt also auch hierher, dachte Melanie lächelnd. Sie konnte ihn und seine Frau vor sich sehen, wie sie Hand in Hand zwischen den Klippen umhergingen.
Melanie merkte nicht, wie die Zeit verging. Ich hätte einen Korb mitbringen sollen, dachte sie und stapelte die Muscheln zu einem kleinen Hügel auf, um sie später zu holen. Sie würde die Muscheln zu Hause in einer großen Glaskugel auf die Fensterbank stellen und sie an einsamen verregneten Wochenenden betrachten und von dem Sonnenaufgang in der einsamen Bucht träumen.
Der hohe, durchdringende Schrei einer Möwe durchbrach die Stille. Melanie blickte zu den Möwen auf. Sie umkreisten das Kliff, ihre Schwingen schimmerten silbrig in der Sonne. Darunter erstreckte sich der menschenleere Strand. Nichts störte den Frieden dieses Morgens.
Melanie hatte sich ein ganzes Stück vom Strand entfernt, als sie zu ihrer Freude in einer der Klippen eine Höhle entdeckte. Sie war nicht groß und von weitem nicht zu erkennen, aber das Innere war bestimmt sehenswert.
Melanie watete durch das Wasser, das ihr bis über die Knöchel reichte. Als sie sich nach einer Muschel im Sand bückte, fiel ihr Blick in das Innere der Höhle. Die Muschel entglitt ihrer Hand. Langsam richtete sie sich auf und erstarrte. Es überlief sie eiskalt.
Dieser weiß schimmernde Fleck im Wasser war kein Stein. Es war das Gesicht eines Toten, das sie anstarrte.
Der Entsetzensschrei blieb Melanie im Halse stecken. Sie sprang rückwärts und glitt dabei fast aus. Ihr Magen krampfte sich zusammen, in ihrem Kopf drehte sich alles. Sie durfte nicht ohnmächtig werden, nicht hier, nicht an diesem Ort. Von Panik ergriffen, drehte Melanie sich um und floh.
Sie stolperte, fiel hin, rappelte sich hoch und raste zu den Klippen jenseits der Sandbank hinüber. Atemlos, am ganzen Körper zitternd, erreichte sie den Strand und sank auf einem Felsvorsprung in sich zusammen.
Starke Hände packten sie. In blinder Panik schlug Melanie um sich. Plötzlich war sie von der irrsinnigen Vorstellung befallen, der Tote aus der Höhle hätte sie verfolgt.
»Verdammt, was ist in dich gefahren? Um Gottes willen, Melanie, komm zu dir!«
Jemand schüttelte Melanie, eine Stimme durchdrang die Betäubung
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