Nicht die Bohne!
wirklich hinziehen kannst. Noch mehr ökologisch Verblendete in der Sippe ertrage ich nicht!«
»Hallo, ich bin es, Paula!«, rufe ich und fuchtele mit einer Hand vor seinem Gesicht herum. »Ich bin die unangefochtene Meisterin im Mario-Kart-Rennen, du erinnerst dich?«
Tom grunzt und schiebt ein böses »Nur ungern« hinterher, dann stemmt er das Bettteil wieder in die Höhe und eilt von dannen. Ha! Ich habe ihn nämlich immer voll abgezockt. Autorennen kann ich echt gut.
Um neun kommt Mara, und als ich ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange drücken will, muss ich mich zu ihr hinunterbeugen.
»Wer sind Sie?«, frage ich erstaunt, weil Mara üblicherweise genauso groß ist wie ich. Sie betrachtet mich mürrisch und schnappt sich dann wortlos einen Umzugskarton. Erst jetzt verstehe ich: Ich kenne Mara schon wirklich lange, aber ich habe sie einfach noch nie in flachen Schuhen gesehen. Was auch die zehn Zentimeter Größenunterschied erklärt.
»Ha, du bist ja in echt ein Zwerg!«, brülle ich ob dieser Erkenntnis hinter ihr her, und Mara stellt kurz den Karton ab, um mir den Stinkefinger zu zeigen.
Um kurz nach neun erscheint Olaf auf der Bildfläche. Olaf, der Kindsvater, hielt es für eine unabdingbare Notwendigkeit, seiner schwangeren Exfreundin bei ihrer Umsiedelung zu helfen. Das ist zwar ein netter Zug, verkompliziert aber irgendwie den gesamten Tag.
Das Zusammentreffen von Exfreund und aktuellem Freund ist ja in der Geschichte der Menschheit durchaus problembehaftet. In meinem Fall ist es allerdings noch viel komplizierter: Der eine ist der Bohnen-Produzent, der andere wird aktiv die Bohnen-Aufzucht mitgestalten. Etwas kraftlos und in Erwartung schlimmer Ereignisse lehne ich mich gegen meinen Küchentisch.
Würde Olaf sich auf die Zahlung von Unterhalt beschränken, hätten wir kein Problem. Da er aber vor einigen Tagen beschlossen hat, eine innige Bindung zur Bohne aufbauen zu wollen, ist das dadurch entstandene Problem intergalaktisch groß. Schließlich kann ich ihm das nicht verbieten, ist ja auch seine Bohne.
Simon sagt mir seit zweiunddreißig Stunden – so lange weiß ich, dass Olaf beim Umzug helfen möchte –, ich solle mich entspannen und das eventuelle Drama ihm und Olaf überlassen. Aber ich kann mich verdammt noch mal nicht entspannen. Schon gar nicht, als Olaf, bestens ausgestattet mit Arbeitshandschuhen und Sicherheitsweste, ins Schlafzimmer stiefelt und Simon ein »Hallo« zuraunzt.
Simon raunzt ein »Hallo« zurück, und eine Sekunde später steht Olaf wieder in der Küche. Das war’s. Sie sind aufeinandergetroffen. Alle noch am Leben. Ich versuche weiterhin mein Bestes, mich zu entspannen.
»Was soll ich machen?«, fragt Olaf mich, als wäre nichts gewesen, und ich deute schweigend auf den Berg an Umzugskartons, die sich vor dem Fenster stapeln.
Schwer beladen macht er sich auf den Weg und trifft im Flur auf Mara, die ihn frostig mit den Worten »Na, du Flachpfeife« begrüßt.
»Du bist ja ein Zwerg«, stellt Olaf im Gegenzug fest und zieht fröhlich seiner Wege.
»Arsch«, murmelt Mara, als sie sich den nächsten Karton schnappt. Gut, der Umgangston der beiden ließ auch während unserer Beziehung zu wünschen übrig, daran scheint sich nichts geändert zu haben.
Gegen Mittag ist meine Wohnung so gut wie leer. Jutta erscheint mit belegten Brötchen und Spachtelmasse. Die Brötchen verteilt sie, mit der Spachtelmasse rückt sie den unzähligen Löchern in der Wand zu Leibe.
Ich bin jetzt schon völlig am Ende, obwohl ich nichts tue, außer herumzustehen und Anweisungen zu geben. Um eins ist meine Wohnung wirklich leer. So komplett möbel- und gerümpelfrei sieht sie völlig anders aus. Sie ist mir schon ganz fremd, als hätte ich die letzten Jahre gar nicht hier gelebt. Eine ganz leichte Kurzdepression überfällt mich, und ich erklimme ein letztes Mal die steile Treppe ins Obergeschoss. Auf dem obersten Treppenabsatz lasse ich mich nieder und beobachte, wie meine Umzugstruppe die restlichen Brötchen verspeist. Dann fahren Mara, Edgar, Tom, Jutta und Olaf zum Hof, während Simon sich mit einem Käsebrötchen zu mir gesellt.
»Alles gut?«, fragt er mich und hält mir das Brötchen hin, damit ich abbeißen kann.
»Nachdenklich«, murmle ich mit dem Brötchenbissen im Mund. »Noch ein neuer Lebensabschnitt. Hier habe ich fast acht Jahre gelebt. Irgendwie bin ich schon ein klitzekleines bisschen traurig.«
Wortlos nimmt Simon mich in den Arm. Wir sitzen noch eine halbe
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