Nicht die Bohne!
Schmidt, bitte in mein Büro!«
Mit für seine Gewichtsklasse unglaublicher Wendigkeit dreht er sich auf dem Absatz um und stolziert in sein Büro. Meine Motivation, in diesen Arbeitstag zu starten, verlässt winkend das Vorzimmer. Ach du Scheiße.
Ich betoniere zügig ein freundliches Lächeln in meinem Gesicht fest und folge ihm. Er thront bereits hinter seinem Stahl-Chrom-Glas-Schreibtisch und nickt mir einmal abschätzend zu, während ich auf einen der Bürostühle (Stahl-Chrom-Leder) sinke. Meine Knie zittern. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Ich werde das erste Mal öffentlich über das Bohnen-Projekt sprechen. Er öffnet den Mund, und ich erwarte eine kurze Einführung in das Thema, zum Beispiel: »Sie kommen leider in letzter Zeit häufig zu spät!« Nach dem Motto: Eigentlich sind Sie eine gute Mitarbeiterin, aber so geht das nun wirklich nicht. Irgendetwas, das er in seinem Chef-Management-Seminar gelernt hat. Schließlich habe ich die Unterlagen zu besagtem Seminar sortiert, gelocht und abgeheftet. Da stand schwarz auf weiß: »Nähern Sie sich einem schwierigen Thema immer zuerst mit einem Lob.« Um die Stimmung zu lockern und den Mitarbeiter nicht gleich kaputtzuhauen. Um dies zu lernen, wurde er schließlich dort hingeschickt. Er scheint in der Vergangenheit leichte Defizite im Umgang mit Mitarbeitern gehabt zu haben.
Da ich das Begleichen der Rechnung angewiesen habe, weiß ich, dass das Seminar verdammt teuer war, da kann ich doch jetzt eine achtsame Kommunikation erwarten, oder? Denke ich. Bis der erste Satz seinen Mund verlässt.
»Sie haben Ihre Chance vertan!«
Die Worte erreichen mein Stammhirn, werden weitergeleitet bis in die Spracherkennung im Frontallappen, und dann erst verstehe ich sie. Das Lächeln in meinem Gesicht zieht sich abrupt und stark irritiert zurück. Bitte was? Ich verbiete mir, meiner Verblüffung Ausdruck zu verleihen, um nichts zu sagen, was in seinem Management-Seminar möglicherweise noch nicht behandelt wurde. War schließlich erst der zweite Block von acht.
»Sie haben Ihre Chance gründlich vertan!«
Okay, er wiederholt sich, und auch ich habe jetzt begriffen, dass das umsichtige und psychologisch wertvolle Gespräch über meine Verspätungen NICHT mit einem Lob eingeleitet wird. Von was genau spricht dieser Mann? Fragend hebe ich eine Augenbraue.
»Ich denke, uns ist beiden klar, worauf dieses Gespräch hinausläuft!« Seine für den dicken Kopf zu kleinen Augen funkeln mich bitterböse an. Da sich mein Gehirn mittlerweile schockbedingt in den Ruhezustand heruntergefahren hat, zucke ich hilflos mit den Achseln.
»Na, kommen Sie. Sie glauben doch nicht, dass ich so blöd bin und mir das gefallen lasse!«
»Hä?«, grunze ich. Sicherlich kein sehr gelungener Beitrag zu diesem Gespräch, aber ich bin schon froh über diese zwei Buchstaben. Sonst herrscht in meinem Kopf nämlich immer noch gähnende Leere.
»Mit mir nicht!« Mit seinem dicken Zeigefinger fuchtelt er aufgeregt vor seiner Nase herum, und ich bringe endlich ein schwaches »Wovon sprechen Sie?« zustande.
»Ha!« Der Zeigefinger pikst in die Luft, als wollte er etwas damit aufspießen.
»Nach unserem Beurteilungsgespräch und meiner Ablehnung Ihrer abstrusen GEHALTSVORSTELLUNGEN «, das Wort zischt er, und ich sehe mikroskopisch kleine Spucketröpfchen über den Schreibtisch fliegen, »haben Sie wohl geglaubt, mich unter Druck setzen zu können. Aber nicht mit mir. Da haben Sie sich verkalkuliert!« Sein Gesicht ist jetzt hummerrot, und automatisch fällt mir ein, dass ich ihn an seine Blutdrucktabletten erinnern sollte. Da mein Sprachzentrum jedoch immer noch angeschlagen ist, schweige ich weiter.
Was hätte ich auch davon, ihn an diese überlebensnotwendige Maßnahme zu erinnern? Soll er doch tot von seinem Bürostuhl fallen! So langsam dämmert mir nämlich, was hier passiert. Das Beurteilungsgespräch vor vier Wochen ist meinem völlig überforderten Gehirn einfach entfallen. In der Tat hatte ich um ein höheres Gehalt gebeten, weil ich nämlich einen wirklich guten Job mache. Und leider war es so, dass er meine persönliche Leibeigenschaft ihm gegenüber etwas anders bewertete als ich.
In seinen Augen fehlt es mir an Engagement und Schnelligkeit. Diese Beurteilung basiert auf folgendem Ereignis:
Einmal in den vergangenen zwei Jahren hatte ich tatsächlich vergessen, einen Mietwagen zu reservieren, der dann schon in zweiter Reihe parkend am Flughafen auf ihn wartete. Es war nicht so,
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