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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Steffan
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ruft er zurück. Augenblicklich erscheint auch Harrys Igelfrisur neben ihm.
    »Sie hatte Angst, Simon. Sie wollte zurück in den Stall, und das Gatter hat ihr nicht standgehalten«, erwidert er mit unüberhörbarem Tadel in der Stimme.
    »Die Delle ist riesig!« Simon ist ganz offensichtlich etwas ungehalten, dass die Kuh sein Auto mit einem Prellbock verwechselt hat.
    »Elfriede geht es aber gut. Sie beruhigt sich grade wieder«, informiert uns Harry und verschwindet wieder hinter dem Wagen.
    »Meinem Auto geht es nicht gut. Verdammter Mist!« Bei diesen Worten muss er allerdings schon ganz leicht grinsen. Okay, was ist schon eine Delle im Auto in Anbetracht der Tatsache, was uns heute noch hätte ereilen können. Außerdem hat Simons Auto der Gesamtoptik nach zu urteilen schon Schlimmeres erlebt.
    Elena und ich müssen also keinen Alarm auslösen. Das Dach ist vorerst gerettet. Mein Handy benutze ich dann zwar schließlich doch noch, allerdings nur, um meinen Vorsorgetermin bei Dr. Ganter auf die nächste Abendsprechstunde zu verschieben. Ich habe nämlich keine Zeit für einen Blick in den Uterus und hätte den Termin wohl auch vergessen, wenn die Bohne mir nicht pünktlich um sechs energisch gegen die Bauchdecke geboxt hätte. Ich habe nämlich alle Hände voll damit zu tun, die Hühner in der Küche unter Kontrolle und vor allen Dingen wieder aus der Küche hinauszubringen. Sie ziehen in einen alten Pferdetransporter, den wir mit geöffneter Heckklappe in die zum Stall umfunktionierte Scheune bugsiert haben. Dann basteln wir einen Maschendrahtzaun, und fertig ist das neue Hühner-Heim.
    Nachdem ich das letzte Geflügel endlich in der Geschirrspülmaschine entdeckt und eingefangen habe, helfe ich Edgar dabei, sich häuslich in einem der oberen Zimmer einzurichten. Seine Wohnung bleibt erst mal unbewohnbar, und ich mache mir eine geistige Notiz, in einem stillen Moment bei meiner Vermietungsgesellschaft anzurufen, um nach einer möglichen Verlängerung meiner Kündigungsfrist zu fragen. Immerhin ist auch meine potenzielle neue Wohnung vorübergehend nicht zu betreten, was einem weiteren Ausbau vermutlich nicht sehr förderlich sein wird.
    Die Bohne ist wieder ganz still; ich nehme an, sie hat mittlerweile ein Gespür dafür entwickelt, sich in besonders gravierenden Momenten einfach ganz unauffällig zu verhalten. Lalala, ich bin gar nicht da. Ich gönne mir auch einen Moment des Gar-nicht-da-Seins, schleiche in mein Büro und lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Erschöpft schließe ich die Augen, bis ich leise die Tür klappern höre.
    Harry steht im Raum, das Entsetzen ist ihm nach wie vor in sein hageres Gesicht geschrieben, und auch seine Haare haben sich dem totalen Ausnahmezustand angepasst. Dazu hat er Hühner- und Entenkacke auf der Schulter und stinkt selbst aus drei Metern Entfernung nasenhaarverätzend. Witzig ist allerdings, dass er mich mit Sorgenfalten im Gesicht fragt: »Geht es dir gut?«
    »Spaßvogel!«, schnaube ich. »Mir geht es gut. Wie geht es dir?«
    »Du, ich weiß von meinen trächtigen Kühen, dass Aufregung ganz schädlich für das Kalb sein kann.« Er nickt bekräftigend und deutet mit dem Zeigefinger auf meinen Bauch.
    Mir klappt erst mal der Unterkiefer gen Boden. »Echt«, sage ich schwach. »Mir geht’s gut.«
    »Vielleicht sollten wir zu einem Arzt fahren«, meint er nachdenklich, und mir steht schon wieder der Mund offen ob dieses erstaunlichen Vorschlags. Ich weiß nämlich, dass Harry noch nie in seinem Leben bei einem Arzt war. Wenn er von Ärzten spricht, meint er immer einen Tierarzt, einen Feeeterinär, wie er zu sagen pflegt. Dass er mich samt Bohne jetzt zu einem Menschenarzt oder gar einem Gynäkologen bugsieren möchte, macht mich ganz rührselig. Wie fürsorglich von ihm! Und da ich nach wie vor heulen muss, wenn ich rührselig werde, entfleucht meinem Augenwinkel eine Träne und begibt sich auf ihren Weg meine Wange hinunter.
    Völlig souverän überbrückt Harry die drei Meter zwischen uns, stellt sich hinter mich und fängt an, mit seinen schwieligen Händen meine Schultern zu massieren. Dabei murmelt er: »Du musst atmen. Tief ein und langsam aus!«
    Ich tue, wie mir geheißen, stelle die tiefen Atemzüge dann aber flott wieder auf hechelnde Flachatmung um, da Harrys Gestank mich beinahe einer Ohnmacht anheimfallen lässt. Dass er heute mit fast jedem Tier auf diesem Hof einmal Körperkontakt hatte, hat olfaktorisch wie gesagt schwere Spuren

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