Nicht die Bohne!
begriffen habe während meiner ausführlichen Studien zum Thema »Geburt«, dann ist es Folgendes: Raus kommen sie immer. Egal wie. Dass allerdings eine Geburt eines der schönsten Ereignisse im Leben ist, konnte ich schon vor der Schwangerschaft nicht glauben. Ich meine, welche Frau kann es als spirituelle Erleuchtung empfinden, einen Kürbis durch einen Gartenschlauch zu pressen?
Seitdem ich mir den Vorgang so rein technisch genauer betrachtet habe – ich sage nur YouTube –, halte ich eine Verknüpfung dieses Ereignisses mit positiven Empfindungen für völlig abwegig. Zumindest bis frau das Kind im Arm hält, aber dann ist der Drops ja eh gelutscht.
Ich habe zwei Wünsche für die Geburt: Zum einen will ich nicht alleine sein, wobei die aktuelle Kandidatenliste zur Geburtsbegleitung aus Jutta und Andrea besteht. Die beiden haben das schon durch und einhellig beschlossen, dass nur Frauen, die bereits Mütter sind, diesem Ereignis beiwohnen dürfen. Alle anderen könnten es sich sonst mit dem Kinderwunsch noch einmal überlegen, meint Jutta. Das macht wirklich Mut.
Zum anderen möchte ich, wenn möglich, keinen Kaiserschnitt. Weil das besser für die Bohne ist. Sagen alle meine Schwangerschaftsratgeber, sämtliche Internetforen, und auch Dr. Ganter teilt diese Meinung. Nun ist besser ja sehr relativ, aber die Vorstellung, dass das Kind ohne vorwarnende Wehen von zwei gummibehandschuhten Händen der Gebärmutter entrissen wird, erschreckt mich etwas.
Zum Glück sind meine beiden potenziellen Geburtsbegleiterinnen eher hartgesotten, weshalb ich glaube, dass sie den Ablauf der Geburt sehr genau überwachen und mich und die Bohne schon beschützen werden. Davon habe ich heute Nacht sogar geträumt. Dr. Ganter durfte in meinem Traum auch mitspielen, allerdings lag er gefesselt und geknebelt in der Ecke, während die Hebamme laut kreischend mit Handschellen an der Heizung dingfest gemacht war und sowohl Andrea als auch Jutta mit wildem Grinsen vor mir hockten und immer brüllten: » PRESSEN ! PRESSEN !«
Ich muss wohl panisch aufgeschrien haben, zumindest hat Simon mich geweckt, mir eine heiße Milch mit Honig gekocht und laut Danko Jones angemacht, um die bösen Geister zu vertreiben. Vertrieben haben wir vermutlich nur die Nachtruhe meiner Nachbarn, aber eine Stunde später habe ich mich todesmutig wieder in die dunklen Fänge des Tiefschlafs begeben, nicht ohne vorher völlig ermattet zu flüstern: »Sie bleibt einfach drin. Ich bleibe schwanger, das ist die Lösung.«
Aber auch Simon hatte von der echten Wahrheit über Geburten offenbar schon gehört, er flüsterte nämlich zurück: »Raus kommen sie immer, egal wie.«
Mein Handy katapultiert mich zurück in die Runde der Geburtswilligen, indem es einen wilden Grunzlaut von sich gibt. Seitdem ich keine fleißige Arbeitsbiene mehr bin, habe ich die Funktionen meines Handys völlig neu entdeckt. Grunzende Mobiltelefone sind in Vorstandssitzungen natürlich ein Tabu, aber auf Ökohöfen heitern sie jede noch so triste Stimmung im Bruchteil einer Sekunde auf. Seitdem es grunzen kann, findet Elena Handys auch gar nicht mehr so schlimm. Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, ihre Öko-Werte zu korrumpieren …
Magdalena dagegen findet die Grunzlaute aus meiner Handtasche gar nicht lustig, sie wirft mir einen düsteren Blick zu, und ich sage freundlich: »Zur Geburt lass ich es zu Hause.«
Mara stellt noch viele Fragen, die Magdalena kompetent, aber leicht muffelig beantwortet, danach stellen die anderen Anwesenden, wohl animiert durch Maras Wissensdurst, auch noch einige Fragen, und dann brechen wir auf in Richtung »Tatort«.
Auf dem Weg dorthin werde ich von Michaela jovial untergehakt. Ich kenne sie aus dem Wartezimmer von Dr. Ganter und hatte sie vorhin in der Kantine gar nicht gesehen. Jetzt raunt sie mir zu: »Wir sind die einzigen Männerlosen.«
Dabei wirft sie einen leicht verzweifelten Blick zu den ganzen Paaren, und ich antworte fest: »Schätzchen. Wir sind nicht männerlos. Wir nehmen zu diesem Ereignis nur das kompetenteste Fachpersonal mit und nicht jeden dahergelaufenen Kindsvater. Das ist klug von uns.«
Michaela hat tatsächlich einen Mann. Zumindest weiß ich das aus ihren Erzählungen. Gesehen habe ich ihn noch nie, weil er auf einer Bohrinsel arbeitet und diese Bohrinsel ziemlich weit weg ist. Er schuftet jetzt ohne Unterbrechung durch, um dann zur Geburt und für die Zeit danach parat zu stehen. Michaela ist zum Glück
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