Nicht ganz schlechte Menschen
sie ihn am
effektivsten einsetzen würde. Wenn er aber ein Feigling und Drückeberger sei,
solle er sich jetzt sofort aus dem Staub machen. Pazifisten hätten in einer
Armee nichts verloren, würden als schlechtes Beispiel dienen und untergrüben
den Glauben ihrer Kameraden an die Notwendigkeit, gegebenenfalls das höchste
persönliche Opfer zu bringen.
Karl nickte. Da war schon was dran. Ihm wurde nicht bewußt, welches
Glück ihm eben widerfuhr. Es hätte einige andere Polit-Offiziere gegeben, die
jemanden wie ihn sofort für einen deutschen Spion mit sehr ungeschickt
ausgedachter Tarnung gehalten hätten. Menschen wurden in diesen Tagen aus weit
geringeren Verdachtsmomenten füsiliert. Und niemand hätte vom abrupten Ende des
Karl Loewe erfahren. Sein Körper wäre in einen Sack gesteckt und nächtens
irgendwo in der Peripherie vergraben worden.
Schade, meinte Karl zum Abschied, ich hätte gerne mit meinen Mitteln für die Freiheit gekämpft.
Adiós! Zischte der Kommissar, den nur der Umstand, daß Karl sich ihm
als Sportler der Olimpiada Popular vorgestellt hatte, zögern ließ, diesen
jungen Mann verhaften und verhören zu lassen.
Ellie
hatte in der Nacht mit Max geschlafen, damit er nicht doch noch ins Grübeln
geriet. Die Angelegenheit ging ihr nah, es gab Gründe dafür. Max hatte ihr
schon manchen Fremdgang verziehen, hier jedoch waren deutlich andere
Voraussetzungen gegeben. Ellies Affäre mit Geising zog sich bereits über Wochen
hin, und in ihrer Leichtfertigkeit hatte Ellie ihrem Verehrer sogar gesagt, daß
sie ihn liebe. Daß Pierre daraufhin gleich verrückt werden würde und vor ihrer
Haustür eine krude Komödie ablieferte, nein, das war nicht vorauszusehen
gewesen. Ellie besaß durchaus einen Begriff von Sitte und Anstand, und wenn
sie auch nie zuvor unter dem Gefühl gelitten hatte, Max ernsthaft zu betrügen –
diesmal war es endlich soweit.
Schluß, Schluß, Schluß. Aus. Schade um die schöne Einnahmequelle. Im
Abstand von mehreren Stunden erschien ihr Pierres Spionage-Aktion dabei nicht
mehr ganz so verwerflich und abscheulich wie im ersten Moment. Das alles bekam
etwas Ungelenk-Romantisches, auf eine gewisse Art wirkte es beinahe becircend
und mitleidheischend. Während sie am Morgen schlaflos im Bett lag, zogen
Gedanken wie fremde Heere durch ihren Kopf. Was, wenn Max sie gar nicht mehr
liebte? Er hatte ihr schon lange keine Liebeserklärung mehr gemacht. Sie war
nun sechsunddreißig Jahre alt. Mit ein wenig Glück konnte Ellie ein neues Leben
beginnen, an der Seite eines Hotelbesitzers. Und Pierre, das hatte sogar Max
bestätigt, war ein sympathischer Mann. Er trank nicht, war vermögend, konnte
seine Gefühle ausdrücken – Ellie erschrak. Ihre Mutter hätte vielleicht so
gedacht, hätte Sicherheit im Zweifelsfall höher bewertet als Zuneigung.
Verfluchte Gene! Das konnte nicht wahr sein. Neben ihr lag der Mensch, den sie
nach wie vor liebte. Ellie kam sich elend vor. Die Lust, laut aufzuschreien,
war kaum noch zu bezähmen, es fehlte nicht viel und sie hätte Max geweckt, ihm
alles gebeichtet.
Statt dessen bettete sie ihren Kopf aufs Kissen zurück, suchte
Zuflucht im Schlaf, delegierte, was anstand, an den kommenden Tag.
Eine weise Entscheidung, prompt wirkte am Morgen nichts mehr so
dramatisch und fatal wie noch bei Nacht, unter Schock. Was war denn eigentlich
passiert? Pierre hatte sich danebenbenommen. Wofür er nun, ganz klar, einen
schmerzhaften Tadel einstecken mußte. Ellie legte das Strafmaß fest. Sie würde
sich eine Woche lang nicht bei ihm blicken lassen. Danach konnte das Leben
vielleicht weitergehen. Mit Abbitten, Verzeihungen und Geschenken. Was sprach
dagegen? Dafür sprach in jedem Fall, daß nur noch wenig Geld im Haus war und
Max keinerlei Anstalten machte, sich eine Beschäftigung zu suchen.
Karl las die Zeitungen jener Tage mit besonderer
Aufmerksamkeit.
Aus Deutschland hieß es, Sowjetrußland habe bereits in die Kämpfe
aktiv eingegriffen, unter anderem durch ein mit zwei Geschützen bewaffnetes
Öltankschiff vor dem Hafen von Ceuta.
Die Meldung bedeutete nichts anderes, als daß auch Hitler bald
Waffen und Soldaten nach Spanien senden würde. Mussolini wahrscheinlich ebenso.
Der spanische Bürgerkrieg drohte zu einem großen Stellvertreterkrieg zu werden.
Und die Regierungen von Frankreich und Großbritannien verhielten sich, das war
kaum zu begreifen, verabscheuungswürdig neutral.
Wo es zuerst nach einem schnellen Sieg der legitim
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