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Nicht mehr tun, was andere wollen

Nicht mehr tun, was andere wollen

Titel: Nicht mehr tun, was andere wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrik Fexeus
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zweiten Frage die zweite. Doch eigentlich ist es ganz egal, was Sie wählen. Wenn man Gewinne und Verluste rein mathematisch berechnet, spricht man von einem » erwarteten Wert«. Wenn ich mit hundertprozentiger Sicherheit weiß, dass ich 100Euro bekommen werde, dann liegt der erwartete Wert auch bei 100Euro. Wenn ich jedoch weiß, dass ich eine fünfzigprozentige Chance habe, 200Euro zu bekommen, ist diese Alternative 100Euro » wert«. Können Sie mir folgen? Sie müssen 50Prozent von 200Euro rechnen. Das bedeutet, dass die beiden Entscheidungen in der ersten Frage rein logisch, mathematisch und wissenschaftlich denselben Wert haben. Es dürfte egal sein, was Sie wählen. Doch rein psychologisch ticken wir eben nicht so. Wir empfinden es als großen Unterschied, ob die Möglichkeit eines Gewinns oder die Möglichkeit eines Verlusts besteht. Wenn wir Gefahr laufen, etwas zu verlieren, was wir bereits haben (z. B. wenn Sie mir 100Euro von den 300 zurückgeben müssen ), sind wir bereit, große Risiken einzugehen, um es nicht verlieren zu müssen. Doch wir sind wesentlich weniger risikobereit, wenn es darum geht, etwas zu gewinnen, das wir noch gar nicht haben. Deswegen wählen wir die erste Alternative bei Frage 1, weil wir garantiert wissen, dass wir so 100Euro bekommen, während wir bei Frage 2, wo wir einem eventuellen Verlust ins Auge sehen, eher bereit sind, etwas zu riskieren und aufs Münzenwerfen setzen.
    Wenn Sie sich das Puzzlestück auf S. 214 ansehen und die Frage zum Noro-Virus noch einmal durchlesen, sehen Sie, dass sich dort dasselbe Problem stellt. Beide Alternativen haben denselben » erwarteten Wert« von 200 geretteten Personen (denn ein Drittel von 600 wäre auch 200 ). Es sollte eigentlich egal sein, für welche Alternative Sie sich entscheiden. Doch stellen Sie sich einfach vor, dass die erste Alternative ein klein wenig umformuliert worden wäre:
Wenn wir Alternative A einsetzen, sterben 400Menschen. Bei Einsatz von Alternative B gibt es eine Chance von einem Drittel, 600Menschen zu retten, und eine Zweidrittelchance, dass niemand gerettet wird. Welche Alternative sollten wir wählen?
    In Alternative B besteht immer noch eine Chance von einem Drittel, dass alle gerettet werden, während bei Alternative A 400Menschen dem sicheren Tod entgegensehen. Klingt Alternative B da nicht plötzlich sehr verlockend? In der Zahl geretteter Leben umgerechnet, kommt es aufs Gleiche hinaus– einmal hieß es, 200 von 600 werden gerettet, einmal hieß es, 400 von 600 werden sterben. Doch psychologisch ist das eben ein großer Unterschied. Bei der ersten Formulierung gewinnen wir etwas, bei der zweiten verlieren wir etwas. Und auf diese zwei Möglichkeiten reagieren wir, wie gesagt, ziemlich unterschiedlich.
    Das kann ich ausnützen, wenn ich Sie beeinflussen will. Ich muss Ihnen die Alternativen nur so präsentieren, dass Sie zu einer falschen Denkweise verleitet werden. Wie Sie eine Frage verstehen, hängt davon ab, wie sie formuliert ist, und es kann ganz schön schwer sein, sich darüber hinwegzusetzen. Im wirklichen Leben kann das ganz gewaltige Konsequenzen haben.
    Z. B. musste sich in einem Experiment eine Reihe von Ärzten für oder gegen eine Operation entscheiden, und zwar auf der Grundlage echter medizinischer Daten. Wenn man ihnen erklärte, dass die Sterblichkeitsrate in fünf Jahren bei sieben Prozent gelegen hatte, zögerten sie, diese OP zu empfehlen. Wenn sie jedoch hörten, dass nach fünf Jahren 93Prozent der Patienten überlebt hatten, waren sie wesentlich eher geneigt, diese OP anzuraten. Verlieren. Gewinnen.
    Der italienische Kognitionsforscher Massimo Piattelli-Palmarini treibt die Frage auf die Spitze, wenn er fragt, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Eine Sterblichkeitsrate von sieben Prozent ist ein halb leeres Glas, eine Überlebensrate von 93Prozent ein halb volles. Sollte eigentlich egal sein. Ist es aber nicht. Sie versuchen ein Problem immer aus der Perspektive heraus zu lösen, aus der man es Ihnen unterbreitet hat. Wir sind in dem Rahmen gefangen, den uns jemand anders vorgegeben hat.
    Edward de Bono hat viel über die Kunst des kreativen Denkens geschrieben bzw. über das, was er » laterales (seitliches) Denken« nennt. Thinking outside the box. Darunter versteht man die Fähigkeit, auf neue, unerwartete Lösungen zu kommen, indem man die Einstellung zur Aufgabe ändert. Indem man die Art ändert, in der einem die Aufgabe präsentiert wurde. Am besten tut man das, indem

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