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Nicht mehr tun, was andere wollen

Nicht mehr tun, was andere wollen

Titel: Nicht mehr tun, was andere wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrik Fexeus
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Fleischtheke merken Sie, dass heute Abend Taco-Abend wird. Also holen Sie sich noch Hackfleisch und Sauerrahm. Auf dem Weg zur Kasse sehen Sie an zwei Stellen Taco-Sets in Regalen liegen, wo sie nicht hingehören. Wie sind die denn da gelandet? Sie bezahlen an der Kasse und gehen nach Hause. Nach Hause, wo Ihre bessere Hälfte auf Sie wartet.
    » Hallo, Schatz! Na, was hast du gekauft?«
    Sie müssen einen Blick in Ihre Tüte werfen, damit es Ihnen wieder einfällt.
    » Tacos«, sagen Sie. » Fürs Abendessen.«
    » Tacos?! Aber wir wollten doch Teriyaki machen! Wie bist du denn bloß auf Tacos gekommen?«
    Sie sagen nichts. Denn ehrlich gesagt wissen Sie das selbst nicht so genau.
    Das Reziprozitätsprinzip, also das Prinzip der Wechselseitigkeit, ist ein echtes Monster. Es bewirkt, dass wir uns oft auf etwas einlassen, das wir sonst niemals getan hätten– wenn wir nicht in der Schuld von irgendjemand gestanden hätten. Sagen wir mal, Sie sind gebeten worden, ein paar Bilder zu bewerten. Als Sie am verabredeten Ort ankommen, ist da noch jemand, Adam, der auch Bilder bewerten soll. Was Sie nicht wissen, ist, dass Adam zu einem Experiment gehört, das überhaupt nichts mit Bildern zu tun hat. Einmal verschwindet Adam für zwei Minuten. Bei manchen Versuchspersonen kommt er nach dieser kurzen Pause einfach so zurück, aber bei anderen– so wie bei Ihnen– kommt er mit zwei Dosen Cola zurück. Er hat Durst gekriegt, und da hat er seinem Kollegen gleich eine Dose mitgekauft. Als der Versuch am Nachmittag vorbei ist, erzählt Adam, dass er Lose verkauft. Je mehr Lose er verkauft, umso größer seine Chance, ein Auto zu gewinnen. Hätten Sie, sein neugewonnener Freund, wohl Interesse, ihm ein paar Lose abzukaufen? Je mehr, desto besser?
    Der einzige Unterschied in Adams Verhalten gegenüber den anderen Versuchspersonen lag darin, dass ein paar von ihnen eine Dose Cola von ihm bekommen hatten. Die so Beschenkten kauften ihm wesentlich mehr Lose ab als die, die nichts bekommen hatten. Und das auch noch zu bedeutend höheren Summen als dem Preiseiner Dose Limo. Die Teilnehmer wurden gebeten, in Noten auszudrücken, wie sympathisch ihnen Adam gewesen war. Bei denen, die nichts von ihm bekommen hatten, gab es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer Sympathie und der Zahl der Lose, die sie ihm abkauften (wenn sie denn überhaupt welche kauften ). Eigentlich wenig überraschend, denn wir helfen wohl eher jemandem, den wir mögen. Doch wie sich bei den Leuten zeigte, die eine Dose von ihm bekommen hatten, die also in seiner Schuld standen, war es völlig egal, ob sie ihn mochten oder nicht. Sie kauften ihm seine Lose trotzdem ab. Egal, ob sie ihn für einen netten Kerl oder einen blöden Affen gehalten hatten, sie spürten anscheinend die Schuldigkeit, ihm den Gefallen zu vergelten– und das taten sie dann auch.
    Es fällt auch auf, dass sie gerne mehr Lose kauften, als die Cola wert gewesen war. Doch unsere Gesellschaft baut darauf auf, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit funktioniert. Wenn ich Sie am Rücken kratze, kratzen Sie mich auch. Und das ist ja auch gut so.
    Wie Sie bereits auf vorher gelesen haben, ist Schuld ein Gefühl, das wir einfach unbedingt loswerden wollen. Wir wurden von klein auf dazu erzogen, uns unwohl zu fühlen, wenn wir in jemandes Schuld stehen. Offenbar sind wir bereit, unseren Wohltäter mit einem größeren Gefallen zu entschädigen, wenn wir uns damit nur von unserer Schuld befreien können. Schuld lastet auf uns wie ein psychologischer Rucksack mit Blei. Doch es gibt auch noch eine andere Ursache. Ein Mensch, der gegen das Prinzip der Gegenseitigkeit verstößt, indem er etwas nimmt, ohne sich um eine Gegenleistung zu bemühen, wird von der sozialen Gruppe geächtet. Solche Leute mögen wir überhaupt nicht. Nicht genug, dass wir das Unbehagen empfinden, in jemandes Schuld zu stehen, nein, wir laufen auch noch Gefahr, uns schämen zu müssen und schlimmstenfalls ausgestoßen zu werden. Da ist es nicht weiter überraschend, wenn wir ganz sichergehen wollen, dass unsere Schuld abgedient wird. Du hast nicht zufällig noch mehr Lose?
    Aus diesem Grund funktioniert es auch so gut, Warenproben zu verteilen oder per Zeitschrift ein kleines Tütchen Shampoo zu verschicken. Sie stehen in der Schuld dieser Leute, denn Sie nehmen ein Geschenk entgegen. Ihre Wertschätzung dieser Geste zu zeigen, ist da das Mindeste. Eine abgemilderte Form dieses Prinzips wird bei der Ja-Leiter von S. 309 f.

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