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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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unseren Lehrer, ob ich auf die Toilette dürfte.
    Auf dem Mädchenklo stand ein Mann am Waschbecken und machte sich dort zu schaffen. Das ist wohl ein Klempner, dachte ich, und grüßte ihn brav. Ich ging in eine der Kabinen, schloss ab, machte Pipi, putzte mich ab und zog schon die Hose wieder hoch, als der Typ von außen mit einem Pfennigstück die Tür öffnete und mit heruntergelassener Hose hereinstürmte. Er packte mich und wollte mir seinen Pimmel in den Mund stecken.
    »Wenn du machst, was ich sage, dann passiert dir nichts«, sagte er, und begann mir ins Gesicht zu pinkeln. Ich schrie, wehrte und wand mich so lange, bis ich mich losreißen und an seinen Beinen vorbei ins Freie stürzen konnte. Ich rannte schreiend zurück ins Klassenzimmer und erzählte alles unserem Lehrer. Der glaubte mir, auch wenn von dem Mann auf dem Klo keine Spur mehr war. Der Lehrer, offenbar von der Situation überfordert, schickte mich nach Hause – allein.
    Als ich heimkam, führte mein Vater gerade ein längeres Telefonat. Geduldig wartete ich, bis er fertig war. Dann erzählte ich ihm, was mir passiert war.
    Seine Reaktion war für mich fast noch verwirrender als alles andere: Er packte mich, schleppte mich ins Badezimmer, zog mir die Kleider aus und schrubbte meinen Körper mit einem Autoschwamm von oben bis unten ab. Er hörte gar nicht mehr auf damit, bis Elke mit Mourad nach Hause kam.
    »Da müssen wir zur Polizei«, sagte sie, als sie die Geschichte hörte.
    Dort musste ich in einem Katalog viele Männergesichter anschauen, doch das von dem Typen auf dem Klo war nicht darunter. Mein Vater begann, Witze zu reißen und sich über mich lustig zu machen.
    »Ach was«, sagte er auf dem Nachhauseweg. »Das hat die sich doch alles nur ausgedacht.«
    Aber ich hatte es mir nicht ausgedacht, ich hatte mich gefürchtet, dort auf der Mädchentoilette, der Mann hatte mir einen riesigen Schrecken eingejagt, und ich war bestürzt, dass mein Vater mir nicht glaubte.
    Einige Monate später läutete zu Hause das Telefon, und ich ging ran. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein Mann, der sagte, er sei Onkel Michael, Elkes Cousin. Auf einmal begann er mir etwas von seinem Schwanz zu erzählen und ganz komisch dabei zu stöhnen. Auch das erzählte ich meinen Eltern, doch auch dieses Mal nahm mein Vater mich nicht ernst.
    »Das denkst du dir doch aus!«, war seine Standardantwort. »Du mit deiner schmutzigen Phantasie!« Und sorgte so dafür, dass ich mich auch noch schämte.
    Und doch war es mein Vater, der Dinge tat, die nicht in Ordnung waren, und ich wusste das. Ich musste wieder an diese seltsame Geschichte denken, als ich fünf Jahre alt war. Damals war ich mitten in der Nacht davon aufgewacht, dass mein Vater mit dem blanken Po auf meinem Gesicht saß. Ich weiß noch, dass ich fürchterlich erschrak und schrie wie am Spieß und überhaupt nicht mehr zu beruhigen war. Als Erklärung sagte mein Vater nur lachend: »Ich hab dir ins Gesicht gepupst, und jetzt hast du überall blaue Punkte!«, was mich natürlich noch mehr aufregte. Als Elke von der Nachtschicht kam und wissen wollte, warum ich so weinte, erzählte er ihr dieselbe Geschichte, und auch sie lachte sich halb kaputt über mich. Doch heute frage ich mich, wie kommt ein Vater dazu, sich mitten in der Nacht nackt auf das Gesicht seiner fünfjährigen Tochter zu setzen? Dass das nicht normal ist, das ist mir inzwischen klar.
    Vielleicht war ich wirklich die Einzige, die seine Zerrissenheit und Widersprüchlichkeiten, all seine Extreme wahrnahm. Tatsächlich behandelte mein Vater mich oft als seine Vertraute, breitete seine Probleme vor mir aus, oft bis spät in die Nacht. Dann nahm ich die Stelle ein, die eigentlich Elke hätte ausfüllen müssen, die ihre Augen vor den Affären ihres Mannes konsequent verschloss – ob aus Selbstschutz oder reiner Naivität, das habe ich nie herausfinden können. Ich aber bemerkte alles mit dem Sinn einer Tochter, die von ihrem zweiten Lebensjahr an ausschließlich auf ihren Vater bezogen war, deren Überleben quasi davon abhing, wie es um ihren Vater stand. Und das führte mitunter zu grotesken Situationen.
    Ich war ungefähr elf, als mir mein Vater erzählte, er habe eine tolle Frau kennengelernt, deren Sohn taubstumm war. »Und stell dir vor«, erzählte er mir mit leuchtenden Augen, »mir ist gelungen, was kein Arzt und kein Therapeut geschafft hat: Ich habe diesen Jungen zum Sprechen gebracht!«
    Da war mir klar, mein Vater hatte wieder

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