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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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zeigte sie niemandem, nach außen hin war ich immer fröhlich, die Ulknudel, die Spaßmacherin. Und den Lehrern gegenüber die Rebellin. Doch je wilder ich mich gab, desto schwärzer sah es in mir drinnen aus. Mein Vater schlug mich, kündigte an, mich zu töten, mir den Kiefer zu brechen oder mir sonst alles Erdenkliche anzutun. Ich war nicht die Einzige, auch Elke und mein Bruder wurden nicht verschont. Viele Male mussten Mourad und ich auf einem Bein an der offenen Terrassentür stehen, und wenn wir auch nur ein wenig wankten, schlug uns unser Vater zusammen. »Du bist den Dreck unter meinen Nägeln nicht wert«, musste ich mir anhören, und: »Ich hätte dich statt in deine Mutter gegen die Wand spritzen sollen«, was ich lange Zeit gar nicht verstand.
    Trost fand ich, wenn ich Musik hörte oder machte. So wurden meine wöchentlichen Stimmbildungs- und Klavierstunden und auch der Chor, in dem ich mitsang, zu echten Lichtblicken. Noch immer hütete ich meine Derbouka-Trommel wie einen Schatz, und auch an dem Klavier, das Ma und Pa mir geschenkt hatten, verbrachte ich viele Stunden. Ich spielte wirklich sehr gerne, bis zu einem Ereignis, das mir alle Freude nahm.
    Es stand ein großes Schülervorspiel auf dem Programm. Die Wochen davor hatte ich nicht besonders viel geübt, aber ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich es schaffen würde. Immer, wenn es darauf ankommt, dann lege ich kurz vor Schluss so richtig los, und das Ergebnis wird dann richtig gut.
    Mein Vater war sehr stolz auf mich an diesem Konzerttag und brachte sogar seine Videokamera mit, um mein Vorspiel aufzuzeichnen. In dieser Gegend war ich damals das einzige türkische Mädchen unter lauter deutschen, wohlsituierten Familien bei einem solchen Event. Vor dem Konzert jedoch passte mein Klavierlehrer meinen Vater ab und erzählte ihm, wie wenig ich die letzten Wochen geübt hätte – und das, obwohl ich ihn ausdrücklich vorher gebeten hatte, meinem Vater nichts davon zu sagen. Natürlich regte der sich nun schrecklich auf. Für ihn bedeutete diese Situation eine große Schmach: Er als Ausländer stand dem honorigen Klavierlehrer gegenüber, der sogar einen dunklen Anzug trug, und musste sich Klagen über mich anhören! Als ich mich ans Klavier setzte und mein Stück wirklich ausgezeichnet spielte, schaltete er nicht einmal mehr die Videokamera ein. Dass mein Vortrag gut war, drang überhaupt nicht zu ihm durch, da half auch nicht, dass mein Klavierlehrer mich hinterher ausdrücklich lobte. Zu Hause setzte es eine Reihe von harten Ohrfeigen, und damit war das Interesse meines Vaters an meiner Musik ein für alle Mal erloschen.
    Und ich hatte allen Spaß am Klavierspiel verloren. So wie mein Bruder, der so ausgezeichnet Fußball spielte, irgendwann einfach nicht mehr zum Training ging, so ging auch ich immer seltener zum Klavierunterricht und zur Gesangsstunde, und auch dem Chor blieb ich fern, bis alles irgendwann in unserem Familienchaos ohnehin völlig unterging. Erst als ich mir nach vielen Jahren ein eigenes Klavier kaufte, erwachte wieder die Freude daran, und zwar so sehr, dass ich die Musik zu meinem Beruf machte.

11
Sommer 1995
    L ange dachte ich, dass ich vielleicht so veranlagt wäre, wie Elkes Schwester Ute, die Frauen liebte. Als ich neun Jahre alt war, verknallte ich mich, wie ich glaubte, in einen Jungen, bis sich herausstellte, dass »er« ein Mädchen war. Als ich älter wurde, war das Thema von meinem Vater von Anfang an so negativ besetzt, dass ich überhaupt nicht dazu kam, in Jungen mehr zu sehen als gute Kumpels oder im schlimmsten Fall einen Anlass, verprügelt zu werden. Es war weit weniger bedrohlich, wenn ich mich an meine Freundinnen hielt. Ärger hatte ich ohnehin schon genug.
    Bis eines Tages ein Junge buchstäblich meinen Weg kreuzte. Ich war auf dem Nachhauseweg von der Schule, als er mir auf seinem Fahrrad entgegenkam. Ich kannte ihn vom Sehen, denn er wohnte in unserer Nachbarschaft. Er sah gut aus, ein cooler Typ, älter als ich. Unter dem Arm trug er eine Schallplatte, und jetzt lächelte er mich auch noch an. So etwas kam in meinem Leben eigentlich nicht vor.
    Inzwischen war ich vierzehn Jahre alt, durfte in der Schule nicht neben Jungen sitzen, Partys waren verboten; wenn alle anderen auf Klassenfahrt gingen, musste ich zu Hause bleiben. Mir war nichts mehr erlaubt, außer zur Schule zu gehen und auf dem schnellsten Weg nach Hause zu kommen. Und wenn mich jetzt jemand dabei beobachtete, dass ich mit einem

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