Nicht ohne meine Schokolade
noch tun konnte. Ich war im Krieg, wissen Sie, und ich habe Männer gesehen, die genauso zerschossen waren. Da kann man nichts mehr tun außer ‘n Gebet zu sprechen, daß er bei seinem Schöpfer ankommt .«
»Und das haben Sie getan, Mr. Downing ?«
Sein Gesicht nahm einen schuldbewußten Ausdruck an. »Nee, kann ich nicht sagen. Um ehrlich zu sein, ich hab mich so schnell, wie ich konnte, aus dem Staub gemacht. Ich bin zu dem kleinen Drugstore an der Ecke gerannt, der die ganze Nacht offen hat, und hab denen gesagt, daß ich ihr Telefon für einen Notfall brauche. Ich hab’ das Gebet nicht gesagt, bevor ich nicht wieder zu Hause in meinem eigenen Bett lag .«
Er sah Savannah mit rot geränderten Augen an, die die Trauer und das Entsetzen widerspiegelten, die dieses Erlebnis in ihm hervorgerufen hatten. Bei einer Straftat gab es immer mehr Opfer, als dies auf den ersten Blick ersichtlich war. So viel Schmerz, so viel Leid. Alpträume. Depressionen und gesundheitliche Probleme. Das Leben so vieler Menschen zerstört.
»Wir sind Ihnen dankbar für das, was Sie getan haben, Mr. Downing. Wenn Sie ihn nicht zu jenem Zeitpunkt gefunden hätten, dann hätte es vielleicht noch Stunden gedauert, bevor er entdeckt worden wäre. Und in einem solchen Fall zählt jede Minute .«
Sie erhob sich und steckte ihr Notizbuch und ihren Stift in die Tasche. »Und wo wir gerade davon sprechen... ich gehe jetzt besser. Gibt es noch irgend etwas, das Sie mir sagen wollen, bevor ich Sie verlasse ?«
Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich einen Augenblick lang, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, nicht daß ich wüßte .«
»Hier ist meine Karte«, sagte sie und drückte sie ihm in die Hand, »und wenn Ihnen noch irgend etwas einfällt, egal wie klein und unwichtig es Ihnen auch Vorkommen mag, rufen Sie mich auf jeden Fall an. Werden Sie das tun ?«
»Ja, das werde ich sicher. Ich will so gut helfen, wie ich nur kann .« Er stand auf, dabei stützte er sich mit Mühe auf dem Tisch ab. »Mr. W. war nicht unbedingt der netteste Kumpel, den ich je in meinem Leben getroffen habe, aber er hat das nicht verdient. Nicht mal ein alter Jagdhund mit schwerer Tollwut hätte es verdient, so abgeknallt zu werden .«
»Das sehe ich auch so, Mr. Downing. Danke nochmal .«
Als Savannah den Camaro rückwärts aus der Einfahrt hinaussetzte, winkte sie dem alten Paar an der Eingangstür zu. Mrs. Downing sah erheblich weniger imposant aus, jetzt, da sie ihrem Mann den Arm um die Schulter legte.
Hank Downing wirkte wie ein gebrochener Mann. Etwas in seinem Inneren hatte heute morgen, als er um den Schreibtisch herumgegangen war und das gleiche Blutbad gesehen hatte, von dem er gehofft hatte, es auf dem Schlachtfeld ein für allemal hinter sich gelassen zu haben, einen Knacks bekommen.
Zur Hölle mit dem Scheißkerl, der den Abzug gedrückt hatte. Wie viele Leben hatte er innerhalb von Sekunden zerstört?
Sie würde ihn kriegen. Wenn nicht für Jonathan oder Beverly Winston, dann für Hank Downing.
Als Savannah ins Leichenschauhaus zurückkehre, hatte die Schicht gewechselt, und der unangenehme Beamte war durch einen eifrigen Anfänger mit strahlendem Blick ersetzt worden, der vor lauter Freude, für die Polizei tätig zu sein, sprachlos war. Allein die Aufgabe, ihr die Liste zu geben, damit sie sich ein tragen konnte, schien ihn unglaublich glücklich zu machen. Ach ja... sie erinnerte sich an jene Tage, als sie sich an dem Gedanken berauscht hatte, daß sie wirklich ein richtiger, ernstzunehmender Cop war. Großartige Tage.
Alle beide.
Die Desillusionierung kam schnell.
Savannah warf einen Blick auf die Liste. Nein, Dr. Liu hatte sich noch nicht ausgetragen. Gut.
Sie verließ den Frischling, der seinen Posten bewachte wie ein Pitbullterrier seinen Knochen, und schritt den Flur hinab zum Untersuchungsraum.
Die Tür stand einen Spalt weit offen, also klopfte sie zweimal, dann steckte sie ihren Kopf hinein.
»Jennifer?«
Die stellvertretende Gerichtsmedizinerin saß auf einem hohen Hocker an einem der Tische aus rostfreiem Stahl, ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt, als sie in das Mikroskop blickte. »Savannah... haben Sie mir einen Hamburger und einen Schokoladen-Milkshake mitgebracht ?«
»Ich wußte nicht, daß Sie einen haben wollten .«
Jennifer blickte auf, seufzte und rieb sich den Nacken. »Der Hamburger ist nur eine Laune«, sagte sie, »aber der Schokoladen-Shake ist ein Muß. Sie wissen schon, eine PMS-Geschichte
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