Nicht ohne meine Schokolade
sagte Savannah, »wenn er keine Kinder hatte.«
»Ich war es. Aber vor einem Monat hat er sie auf seine erste Frau, Fiona, überschrieben. Vielleicht war sie die Frau, die er in jener Nacht erwartet hat.«
»Vielleicht«, entgegnete Savannah nachdenklich. »Ich glaube, ich muß noch einmal mit Mrs. Winston Nummer eins sprechen.«
Diesmal entschloß Savannah sich, Fiona zu Hause und nicht an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen, um die andere Seite dieser Frau kennenzulernen. Sie war überrascht, wie anders diese Seite war.
Wenn sie Fiona auf der Straße begegnet wäre, hätte sie in dieser verwahrlosten, krank aussehenden Frau nicht diejenige wiedererkannt, die neulich abends mit schwülstiger Stimme und verführerischen Bewegungen auf der Bühne gestanden hatte.
Ihre Hand, die an das Fliegengitter vor dem kleinen, schäbigen Appartement klopfen wollte, blieb in der Luft stehen, als Savannah Fiona O’Neal auf dem Boden ihres Wohnzimmers sitzen sah. Sie war von Kartons umgeben, ihre Arme hatte sie um die Knie geschlungen, sie wiegte sich hin und her und schluchzte. Ihr schönes, langes Haar lag als strähnige, verfilzte Masse über ihren Schultern.
Ihr einfaches Baumwollhemd sah aus, als hätte sie darin geschlafen, doch ihre Augen glichen zwei Brandlöchern in einer Decke, wie ihre Oma zu sagen pflegte. Savannah schätzte, daß sie schon lange nicht mehr allzugut geschlafen hatte.
»Fiona?« fragte sie sanft. Niemand konnte so herzzerreißend weinen, wenn er nicht einen wahren, tiefen Schmerz empfand. Savannah konnte nicht verhindern, daß sie eine Welle des Mitleids empfand. »Fiona, ich bin’s, Savannah Reid.« Sie preßte ihre Nase an den Fliegendraht. »Brauchen Sie Hilfe? Kann ich hereinkommen?«
Mit einem lauten Schniefen richtete Fiona den Blick auf Savannah, sie bemerkte sie jetzt erst. Ihr Weinen ließ augenblicklich nach, und sie strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. Sie sagte nichts, aber sie nickte.
Savannah öffnete die Tür und trat ein. Der kleine Raum stank nach Alkohol, Zigarettenqualm und ungereinigtem Katzenklo. Savannah widerstand dem Drang, sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase zu halten, als sie zu Fiona hinüberging und sich auf einen abgewetzten Lehnstuhl neben sie setzte. Das Zimmer war spärlich und nur mit dem Notwendigsten möbliert. Kartons, die mit Taschenbüchern eines jeglichen Genres angefüllt waren, lagen überall herum. Zu Fionas Füßen lagen eine Rolle Klebeband und eine Schere.
Die Küche schien ebenfalls voller Kartons zu sein. Fiona beabsichtigte scheinbar umzuziehen. Und zwar bald.
»Fiona, was ist los?« fragte sie. Sie wußte, daß sie sanft zu Werke gehen mußte. Wenn sie die Frau unter Druck setzte, würde sie dichtmachen, und sie würde gar nichts herausfinden.
»Nichts«, antwortete Fiona zwischen ein paar Schluchzern. »Ich meine, nichts Neues. Ich denke nur manchmal an Jonathan, und...«
Ihre Stimme erstarb, und sie begann erneut, heftig zu weinen.
»Haben Sie ihn so sehr geliebt?« fragte Savannah.
»Mehr als alles auf der Welt. Ich habe ihn immer geliebt, vom ersten Augenblick an, als ich ihn traf.«
Fiona nahm eine fast leere Whiskeyflasche vom Beistelltisch und trank einen kräftigen Schluck daraus. Dann zog sie heftig an der Zigarette, die zwischen ihren Fingern baumelte.
Das Sonnenlicht, das durch das einzige Fenster des Zimmers hereindrang, war erheblich gnadenloser als das gedämpfte Licht im Nachtclub. Seine Helligkeit hob die fahle Färbung ihrer durchscheinenden Haut, die dunklen Ringe und Falten um ihre Augen, die Nikotinflecken auf ihren Zähnen und den Fingern ihrer rechten Hand hervor. Make-up und die gedämpfte Beleuchtung hatten viel dazu beigetragen, zu verbergen, wie hart Fiona O’Neals Leben bis zu diesem Zeitpunkt wirklich gewesen war.
Aber die Jahre waren ihr deutlich und für jeden lesbar ins Gesicht geschrieben.
»Er wollte zu mir zurückkommen, er wollte es wirklich.« Die Finger, die Fionas Zigarette hielten, zitterten. »Wir hatten Geld gespart, um diese verdammte Stadt zu verlassen. Wir hatten fast schon genug zusammen, dann wollten wir fortgehen, fort von Beverly, fort von der Modeindustrie und all diesen gierigen Haifischen, fort von den Menschen, die grundlos Anklage gegen ihn erhoben.«
»Davor wollte Jonathan fortlaufen, aber was ist mit Ihnen, Fiona? Wovor wollten Sie fliehen?«
Fiona dachte einen Augenblick lang nach, nahm einen weiteren Schluck Whiskey und drückte die Zigarette in dem
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