Nicht ohne meine Schokolade
Fossil braucht eine halbe Stunde, um zurückzuspulen.«
Sie versuchte es noch einmal. Dieses Mal kam sie durch.
»Hallo, hier spricht Shirley Reid. Tut mir leid, daß ich nicht zu Hause bin, um Ihren Anruf entgegenzunehmen, aber...«
Savannah trommelte mit den Fingern auf den Küchen-tisch, während sie den Rest der Nachricht und den Signalton abwartete.
»Mom, wirklich, ruf mich wegen Atlanta zurück. Wir müssen uns sofort etwas überlegen. Das alles funktioniert einfach nicht! Und noch etwas, Mom, du solltest wirklich nicht deinen Namen auf dem Anrufbeantworter nennen. Und es ist besser, wenn du nicht sagst, daß du nicht zu...«
Piep. Klick. Freizeichen.
»...Hause bist, Scheiße.«
Savannah wußte , daß sie besser zu Hause im Bett bleiben sollte, nicht nur, weil Dr. Weinberg ihr das angeraten hatte, sondern
auch, weil ihr schwindelig und übel war. Sie hatte das Gefühl, sich gleich in das Innere ihres Camaro ergießen zu müssen. Nicht so gut; sie hatte die Sitze gerade neu beziehen lassen.
Sie kurbelte das Fenster herunter, für alle Fälle.
Ungeachtet der Anweisungen des Arztes oder ihrer Kopfschmerzen und der Übelkeit konnte sie es im Bett einfach nicht länger aushalten. Irgendwo da draußen in der großen, schlechten Welt war ein Individuum mit strähnigen blonden Haaren und mickrigen Zähnen, der sich die falsche Frau zum Niederschlagen ausgesucht hatte. Sie und er hatten ein kleines Rendezvous mit dem Schicksal, oder anders gesagt: jetzt würde sie es ihm heimzahlen.
Ein Rendezvous mit dem Schicksal, sie spielte mit den Worten und genoß das Melodramatische dieses Satzes. Savannah Reid, Privatdetektivin ... das Böse auf den Straßen schläft nie... und ebensowenig schläft sie.
Sie würde ja gern, verbesserte sie sich schnell, sie kommt nur nie dazu.
Sie bog um die Ecke der Laurel Street und fuhr auf die Tankstelle, wo sie den fraglichen verwahrlosten Gentleman vor etwa einer Woche getroffen hatte. Sie war aus dem angrenzenden Lädchen gekommen, einen Milchshake mit Pfirsichgeschmack in der Hand, und hatte ihn dabei überrascht, wie er seinen Kopf durch das Fenster an der Fahrerseite des Camaro steckte und sich umsah.
»He, Sie!« rief sie. »Was haben Sie verdammt noch mal da zu suchen?«
Er warf ihr ein mürrisches, sarkastisches Grinsen zu und betrachtete sie abschätzig von oben nach unten, so daß sie eine Gänsehaut bekam. Obwohl sie noch zehn Schritte von ihm entfernt war, konnte sie den Gestank von schalem Bier wahrnehmen, der ihn umgab.
Er wandte den Kopf ab und spie einen langen braunen Strahl Tabaksaft aus der Lücke zwischen seinen Vorderzähnen hervor, genau auf den Boden vor der Fahrertür.
»Wieviel willst du dafür haben, Baby?« fragte er und deutete mit einem verschmierten Daumen auf das Auto. »Ich würd’ ihn dir gern abkaufen.«
Sie ging zu ihm hinüber und versuchte, durch die Ohren statt durch die Nase zu atmen. »Er steht nicht zum Verkauf. Bitte entfernen Sie sich von dem Auto.«
Der verblüffte Blick, den er ihr zuwarf, sagte ihr, daß er nicht daran gewöhnt war, von einer Frau Anweisungen zu bekommen. Entweder das, oder er war nicht helle genug, um den Befehl zu verstehen.
Für letzteren Fall wiederholte sie: »Entfernen Sie sich von meinem Auto. Augenblicklich.«
»Was willste denn jetzt tun?« Er grinste breit. »Die Bullen rufen?«
Sie griff in ihren Pullover, holte die Kette mit der Polizeidienstmarke heraus und hielt sie ihm vor die Nase. »Nicht nötig.«
Er schien gar nicht überrascht zu sein, als er die Marke sah, aber selbst das hatte sie einfach nur als Fakt registriert. Normalerweise rechneten die Leute nicht damit, daß es sich bei einer Frau in Straßenkleidung um eine Polizeibeamtin handelte. Es entstand fast immer eine Pause, in der sie sich mit der Tatsache vertraut machten und dann versuchten, ihre Vorstellungen von einem Cop mit dem, was sie sahen, in Einklang zu bringen. Scheinbar entsprach sie häufig nicht diesem Bild.
Aber dieser Kerl brauchte keine zwei Sekunden, um mit der neuen Situation zurechtzukommen, und sie hatte sich nur flüchtig gefragt, wieso.
Nach ein paar weiteren Kaufangeboten und Weigerungen, zu verkaufen, war er in Richtung Sonnenuntergang verschwunden, wobei er sein Territorium immer wieder mit einem schlecht gezielten Tabakstrahl markiert hatte.
»He, Savannah!« rief jetzt eine freundliche Stimme aus der offenen Werkstatt. »Klingt, als ob die Karre prima läuft!«
Sie parkte den Camaro neben den Luft-
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