Nicht ohne Risiko (German Edition)
„Eine Waffe? Ja. In meinem Stiefel. Ich komme nicht leicht dran, aber mir scheint es unglaubwürdig, wenn dein Bruder bei diesem Wetter eine Jacke trägt. Und ein Schulterhalfter ohne Jacke darüber – das geht gar nicht.“ Er blieb einen Moment stehen, als sie das schützende Vordach des Gebäudes hinter sich ließen und auf den offenen Parkplatz hinaustraten. Es war heiß, der dunkle Asphalt verstärkte die Hitze noch, und die Luft war drückend schwül.
„Ich trage schon so lange eine Waffe, dass es sich unnatürlich anfühlt, keine dabeizuhaben. Und wenn es nur eine kleine Waffe im Stiefel ist“, fuhr Jim fort und sah zu, wie Emily ihren kleinen Wagen aufschloss. „Genauso muss es dir mit deiner Handtasche gehen. Du musst sie als wichtigen Teil deiner selbst betrachten. Dann merkst du, dass etwas fehlt, wenndu sie nicht bei dir fühlst, an deinem Körper. Verstehst du, was ich meine?“
„Aber ich trage so ungern eine Handtasche mit mir herum“, widersprach Emily. „Ich will nicht, dass sie zu einem wichtigen Teil meiner selbst wird.“
„Dann solltest du dir vielleicht einen Rucksack zulegen“, meinte Jim und quetschte sich in Emilys Kleinwagen. Er musste den Sitz ganz nach hinten schieben, und trotzdem stieß er noch mit den Knien ans Armaturenbrett. „Das ist übrigens genau meine Methode.“
„Methode wofür?“ Emily löste den Blick vom Rückspiegel und schaute ihn kurz an, während sie den Rückwärtsgang einlegte und aus der Parklücke herausfuhr.
„Meine Methode, mit Fragen umzugehen, die ich nicht beantworten kann, wenn ich verdeckt ermittle. Ich umgehe die Fragen. Ich antworte ausweichend und wechsle das Thema. So wie ich es mit deiner Frage gemacht habe. Erinnerst du dich? Du wolltest wissen, was ich tue, wenn Delmore mir Fragen über Colorado stellt, die ich nicht beantworten kann. Ich bin ausgewichen und habe dich zum Essen eingeladen.“
„Schön und gut, aber was, wenn Alex dir spezifische Fragen stellt? Zum Beispiel, ob du schon mal in seinem Lieblingsrestaurant in Denver gegessen hast? Wird er nicht misstrauisch werden, wenn du nicht mal weißt, in welchem Stadtteil es liegt?“
Jim lehnte den Arm lässig ins offene Beifahrerfenster, als Emily auf die Hauptstraße einbog. „Dann sage ich eben, dass ich nicht so oft rausgekommen bin, als ich noch in Denver gewohnt habe. Das Gehalt eines Hochschulassistenten ist nicht allzu üppig.“
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, und er fuhr fort:
„Außerdem werde ich mich genauer informieren. Ich schaue mir den Stadtplan an, merke mir die wichtigsten Straßennamen,die Adressen der bekanntesten Sehenswürdigkeiten … und einiger Restaurants.“
Emily warf ihm erneut einen Blick zu.
„Ich habe schon öfter undercover gearbeitet und war dabei auch schon weit weniger gut vorbereitet. Ich schätze, ich bin einfach ein begabter Lügner.“
Sie sagte kein Wort.
„Da vorne links in die Ocean Avenue“, erklärte Jim. „Weißt du, ich habe mich schon gewundert, dass du so weit vom Strand entfernt wohnst. Ich war mir sicher, deine Wohnung wäre höchstens einen oder maximal zwei Blocks vom Wasser entfernt.“
„Das hätte ich mir nur in einer Wohngemeinschaft leisten können“, gab Emily zurück. „Aber nach all den Jahren im Studentenwohnheim mit ständig wechselnden Zimmergenossinnen wollte ich endlich mal allein wohnen.“
„Ich weiß noch, dass du dir sogar ein Haus direkt am Strand gewünscht hast. Du wolltest aus dem Bett hüpfen, die Jalousie hochziehen und das Meer direkt vor der Nase haben.“
Emily lachte, obwohl die lässige Vertrautheit, die Jim an den Tag legte, ihr immer stärkeres Unbehagen bereitete. „Ach ja, richtig. In der letzten Hurrikansaison kam es ein- oder zweimal vor, dass Leute mit einem Haus am Strand das Meer ein bisschen zu direkt vor der Nase hatten.“
Er beobachtete sie, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Du willst mir nicht ernstlich weismachen, dass du dir von ein bisschen schlechtem Wetter den Strand madig machen lässt.“
„Nein“, gab sie zu. „Das war eine rein finanzielle Entscheidung. Wenn ich mir eine eigene Wohnung am Strand leisten könnte, würde ich sofort einziehen. Aber leider kann ich bei meinem derzeitigen Gehalt keine höhere Miete zahlen.“
„Wann hast du beschlossen, Lehrerin zu werden? Du hastin deinem ersten Semester jede Menge Computerkurse belegt. Waren deine Hauptfächer nicht Informationstechnik und Wirtschaftslehre?“
Sie warf ihm einen
Weitere Kostenlose Bücher