Nicht ohne Risiko (German Edition)
stärksten verletzen konnte. Seine beiläufige Liebeserklärung war der blanke Hohn auf ihre eigenen intensiven Gefühle gewesen. Sie wusste verdammt genau, dass er sie nicht liebte.
Aber sie liebte ihn. Sie liebte ihn wirklich. Sie hatte sich vorgenommen, den wahren Jim Keegan zu enttarnen, in der Hoffnung, jemanden zu finden, den sie verabscheuen konnte, einen selbstsüchtigen, gefühllosen, grausamen Menschen, jemanden, der mehr schlechte als gute Charakterzüge in sich vereinte. Stattdessen hatte sie diesen Mann gefunden. Er war nicht der perfekte Superheld, für den sie ihn damals, mit achtzehn, gehalten hatte. Nein, er war menschlich, hatte menschliche Stärken und Schwächen, gute und schlechte Züge, und die guten machten die schlechten mehr als wett. Er war nicht vollkommen, und irgendwie machten ihn gerade seine Unvollkommenheiten umso liebenswerter.
Wenn er es doch nur ernst gemeint hätte, als er ihr sagte, er liebe sie.
Emily zog die Knie an, ließ den Kopf auf die Arme sinken, und eine Träne rollte ihr die Wange hinunter, weiter hinab übers Kinn und tropfte in den Sand zwischen ihren Füßen. Eine von bestimmt tausend Tränen, die sie wegen Jim Keegan schon vergossen hatte. Sie seufzte. Ob nun eine Träne oder ein ganzes Meer – es war egal. Es änderte nichts an der Tatsache, dass sie nie bekommen würde, was sie wirklich wollte. Niemals würde sie Jims Liebe haben, seine echte, ehrliche, aufrichtige Liebe. Natürlich konnte sie seine automatischen Liebeserklärungen haben, in Worte gefasste Reaktionen auf intensive körperliche Empfindungen beim Liebesspiel, aber diese Worte waren bedeutungslos.
„Emily.“
Aufgeschreckt hob Emily den Kopf und stand dann hastig auf.
Jim.
Obwohl er nur einen guten Meter von ihr entfernt stand, war sein Gesichtsausdruck im abendlichen Dämmerlicht kaum zu lesen. Irgendwie sah er anders aus als sonst. Dann erkannte sie, dass er sich die Haare straff nach hinten gebunden hatte. So wirkte sein Gesicht viel kantiger, härter.
Sein kurzärmeliges Hemd hatte er sorgfältig in den Bund einer sauberen Jeans gesteckt. Offensichtlich hatte er sich große Mühe mit seiner äußeren Erscheinung gegeben, aber warum? Machte es ihn nervös, sie wieder zu sehen? Und wenn dem so war, warum war er dann überhaupt hier?
„Was tust du hier?“, fragte sie ihn scheinbar ruhig.
„Es war nicht so schwer, dich aufzuspüren, weißt du?“, sagte er. Seine ihr so wohlvertraute, leicht heisere Stimme harmonierte gut mit dem leichten Meeresrauschen. „Ich war sicher, du würdest entweder hierher fahren oder nach Connecticut fliegen.“ Er schob die Hände tief in die Hosentaschen und scharrte mit dem Fuß im Sand, bevor er zu ihr aufschaute. Das letzte Licht des Abendhimmels spiegelte sich in seinen Augen. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Em, als du letzte Nacht nicht nach Hause gekommen bist.“
Nach Hause. So wie er das sagte, klang es, als spreche er von ihrem gemeinsamen Zuhause.
Emily antwortete nicht. Was sollte sie schon dazu sagen? Sie hatte nicht die Absicht, sich zu entschuldigen.
Er seufzte und trat einen Schritt näher. „Hör mal, Em …“
Sie wich ihm aus, trat einen Schritt zurück, und er blieb stehen.
„Du hast mich gefunden“, sagte sie, „und mir geht es gut. Du kannst also aufhören, dir Sorgen zu machen.“ Sie ließ denBlick übers Meer schweifen. „Und jetzt wäre ich gern allein, wenn es dir nichts ausmacht. Deshalb bin ich hier.“
„Es macht mir etwas aus“, antwortete Jim und trat erneut einen Schritt näher. Wieder wich sie rückwärts aus, und er musste sich sehr zusammenreißen, um nicht zu fluchen. „Ich bin nämlich hier, weil wir miteinander reden müssen.“
Wie sie da vor ihm stand, so ruhig und gelassen. Nur kurz schien etwas in ihren Augen zu glitzern, als sie sich nach ihm umschaute, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein, oder es war ein Lichtreflex von der untergehenden Sonne gewesen.
„Ich habe dir nichts zu sagen“, erklärte sie.
Er wollte nicht, dass sie seiner Stimme anhörte, wie verletzt er war, und schlug deshalb einen sarkastischen Tonfall an. „Du hast mir also nichts zu sagen? Ganz und gar nichts? Toll, einfach großartig. Du hast Sex mit mir, als ginge morgen die Welt unter. Und als reichte das noch nicht, mich um den Verstand zu bringen, erzählst du mir so ganz nebenbei, im Rausgehen aus der Wohnung, dass ich dich vor sieben Jahren entjungfert habe.“ Ungläubig stieß er die Luft aus.
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