Nicht schon wieder Liebe
Mittagspause für mich opfern?«, sagte sie zu der Person am anderen Ende der Leitung. »Vielen Dank - ich werde dann also am Montag um zwölf da sein. Richten Sie Mr. Peavy bitte aus, dass ich sein Entgegenkommen sehr zu schätzen weiß.«
Coop hatte sich nicht von der Stelle gerührt, bis sie auflegte, und als sie sich umwandte, streifte sie versehentlich seinen Körper. Er fühlte die flüchtige Berührung bis hinunter in seine Zehen, während er Veronica finster anstarrte. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du einfach alles hinwirfst und nach Seattle abhaust.«
»Glaub es ruhig«, erwiderte sie ausdruckslos. »Tatsächlich fahre ich sogar noch heute Morgen rüber, um Lizzys Wechsel auf eine neue Schule zu arrangieren. Morgen werde ich dann in meiner Wohnung ein Zimmer für sie freiräumen.«
Nein . Er fühlte sich wie erschlagen von all den Gefühlen, die plötzlich auf ihn einstürmten und lautstark seine Aufmerksamkeit forderten. Sie konnte doch nicht einfach so gehen. Sie konnte ihn doch nicht einfach fallen lassen und sich aus dem Staub machen! »Du nimmst Lizzy heute aus der Schule?«
»Nein, Marissa wird sie das Wochenende übernehmen. Ich werde am Montag wieder hier sein, um den Termin bei Neil Peavy wahrzunehmen, und anschließend treffe ich die nötigen Vorbereitungen für einen Umzug auf Dauer.«
»Und du hast wirklich vor, einfach so wegzugehen? Du willst dem, was zwischen dir und mir ist, einfach aus dem Weg gehen, ohne die geringste Diskussion?«
»Was gibt es denn noch groß zu sagen, Coop? Ich brauche etwas von dir, das du aber nicht gewillt bist, mir zu geben, und du scheinst das Gleiche von mir zu brauchen. Und das tut weh. Sehr weh. Wir müssen dringend Abstand voneinander gewinnen, bevor wir uns am Ende noch gegenseitig in der Luft zerreißen.«
Das sollte ja wohl ein Witz sein, oder? Die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, starrte Coop sie finster an. »Zu spät«, sagte er.
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte hinaus.
23
R egen strömte an den Fenstern von Veronicas Eigentumswohnung in Seattle herab, als sie kurz nach drei an diesem Nachmittag ihre Wohnungstür aufschloss. Mit einem niedergeschlagenen Seufzer stellte sie ihre Handtasche auf der antiken Jenny-Lind-Kommode in der winzigen Diele ab, ging ins Wohnzimmer und sah sich um.
Sie war immer ungeheuer stolz auf ihr Zuhause gewesen. Sie hatte hart gearbeitet, um das Geld für die Anzahlung zu verdienen, die sie für den Kauf der Wohnung hatte leisten müssen, und sie hatte in den letzten paar Jahren geduldig nach genau den richtigen Möbelstücken gesucht, um sie einzurichten. Heute empfand sie beim Anblick all der schönen, vertrauten Dinge jedoch weder Stolz noch Freude noch das angenehme Gefühl, endlich wieder in ihren eigenen vier Wänden zu sein. Stattdessen fühlte sie sich zutiefst deprimiert.
Andererseits hatte ihr Tag auch in jeder anderen Beziehung jeglichen Glanz vermissen lassen. Die Autofahrt von Fossil, von der sie gewöhnlich schwören würde, dass sie sie im Schlaf zurücklegte, schien eine Ewigkeit gedauert zu haben. Der Verkehr in Seattle war chaotisch gewesen, das Wetter am Puget Sound wie üblich unerbittlich grau, trist und regnerisch und das Leben im Allgemeinen schlicht und einfach zum Abgewöhnen.
Na, toll. Ein Ein-Frau-Selbstmitleids-Festival, um meinen ohnehin schon beschissenen Tag abzurunden. Das beweist zweifellos eine bewunderswerte Charakterstärke. Was wirklich ätzend war, wie sie wohl oder übel zugeben musste, war ihre Einstellung. Weder der Verkehr noch das Wetter waren schlimmer gewesen als gewöhnlich - es war bloß so, dass sie das Leben im Osten Washingtons, wo sehr viel häufiger die Sonne schien und wo es wesentlich weniger idiotische Autofahrer pro Quadratkilometer gab, verwöhnt hatte, das war alles.
Sie lachte kurz und humorlos auf. Der Gedanke, dass Fossil bei einem Vergleich mit Seattle positiv abschneiden könnte, war zweifellos ziemlich gewagt. Wenn sie in besserer Gemütsverfassung gewesen wäre, hätte sie die Ironie sicherlich voll und ganz zu würdigen gewusst.
Dann verpuffte die gespielte Tapferkeit, mit der sie sich den ganzen Tag über aufrecht gehalten hatte, endgültig, und sie sank auf das kleine Ledersofa vor dem Kamin. Sie verschränkte ihre Finger im Schoß und starrte blicklos auf die gerahmte Reproduktion eines präraffaelitischen Gemäldes aus dem Frye Museum, die über dem Kaminsims hing.
Wem wollte sie hier eigentlich etwas
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