Nicht schon wieder Liebe
ihn seine Unsicherheit und Befangenheit wie angewurzelt verharren ließen.
Eddie machte den Schritt, der die Entfernung zwischen ihnen überbrückte, und warf seine Arme um Coop. Für einen langen Moment hielten sie einander fest umschlungen, dann klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern und traten zurück.
Coop musterte seinen Halbbruder, der mehrere Zentimeter kleiner war als er. Da, wo Coop seinem Vater nachgeschlagen war, wurde Eddies Statur von den Genen ihrer Mutter dominiert. Er war im Gegensatz zu Coop eher zierlich, hatte einen schlanken, feingliedrigen, elegant wirkenden Körper und schaffte es selbst im Exil noch, wie ein männliches Cover-Model auszusehen. Sein goldblondes Haar glänzte in dem matten Licht, das an den Rändern des von Coop mit dem Handtuch zugehängten Fensters hereinsickerte, und seine Wangen wiesen einen matten, frisch rasierten Glanz auf.
Es war Monate her, seit Coop seinen Bruder zum letzten Mal gesehen hatte, und Eddies Lage war so ernst, wie sie überhaupt nur sein konnte. Und deshalb wollte Coop etwas Tiefschürfendes sagen - oder zumindest etwas, das der Situation angemessen war. Stattdessen hörte er sich sagen: »Gott, selbst deine Schuhe sind auf Hochglanz poliert. Verdammt fein herausgeputzt für einen Kerl, der auf der Flucht ist!«
»Hey, eine solche Kleinigkeit wie ein Mordverdacht ist doch kein Grund, sich unter Niveau zu kleiden.« Eddies selbstironisches Lächeln kam und ging, ein flüchtiges Aufblitzen von weißen, ebenmäßigen Zähnen. Dann wurde er schlagartig ernst. »Es ist wirklich schön, dich zu sehen, James.«
»Ich freue mich auch sehr, dich zu sehen, kleiner Bruder Aber es ist verdammt riskant für dich, hierher zu kommen.«
»Ich musste einfach Lizzy sehen und mich davon überzeugen, dass es ihr gut geht. Ich habe das Haus seit gestern in regelmäßigen Abständen beobachtet, und obwohl es mich ungeheuer überrascht hat, dich hier wohnen zu sehen, habe ich keinen auch noch so flüchtigen Blick auf Lizzy erhascht. Wo ist sie? Ist sie bei Veronica? Hat sie Lizzy nach Seattle mitgenommen, oder so was?«
Coop zuckte zusammen, als er wie aus heiterem Himmel Ronnies Namen hörte, und zog unwillkürlich die Schultern hoch, wie um den Schmerz abzuwehren, der über seine bloßliegenden Nervenenden schabte. »Noch nicht, aber sie bereitet sich darauf vor.« Er bemühte sich, seine Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, als er Eddie erklärte, dass sie sich in der Zwischenzeit um Lizzy gekümmert hatte und am Freitagmorgen über die Berge gefahren war, um die nötigen Vorbereitungen für ihren und Lizzys Umzug nach Seattle zu treffen. »Lizzy hat das Wochenende bei Marissa verbracht. Sie wird nach der Schule wieder herkommen, und Ronnie wird sogar noch eher wieder hier sein, deshalb sollten wir diese Gelegenheit lieber nutzen. Hast du Hunger?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Dann komm mit runter in die Küche. Wir können uns ja unterhalten, während ich uns was zum Frühstück zusammenwerfe.«
Er zog das Handtuch, das er vors Fenster gehängt hatte, herunter und nahm es mit nach unten. Dann warf er es Eddie zu, mit der Anweisung, es über dem kleinen Fenster in der Vordertür festzuheften, um die Sicht ins Innere des Hauses zu versperren, falls irgendjemand vorbeikam. Während sein Bruder damit beschäftigt war, nahm Coop Bratpfannen aus dem Küchenschrank, schaltete zwei Herdplatten ein und kramte ein paar Lebensmittel aus dem Kühlschrank zusammen.
Dann kämpfte er mit seinem Gewissen. Hin und her gerissen zwischen den Sorgen und Bedenken, die Veronica ihm in den Kopf gesetzt hatte, und dem alten, vertrauten Bedürfnis, seinem kleinen Bruder zu helfen, sagte er schließlich: »Dir ist doch wohl klar, dass du momentan nicht mit Lizzy sprechen kannst, oder?« Er blickte von der heißen Pfanne auf, in die er gerade einige Eier geschlagen hatte, um die Reaktion seines Bruders einzuschätzen.
Eddie war eindeutig nicht glücklich darüber, aber er nickte. »Doch, das ist mir schon klar. Ich würde meine Nüsse dafür geben, wenn ich sie auch nur eine Minute umarmen und mich mit eigenen Augen davon überzeugen könnte, dass es ihr einigermaßen gut geht, aber ich weiß, es wäre zu schmerzlich für sie, wenn ich danach sofort wieder auf dem Absatz kehrt machen und verschwinden würde.«
»Ganz zu schweigen davon, dass es gefährlich für dich wäre. Du kannst von einer Sechsjährigen nicht erwarten, dass sie ein solches Geheimnis für sich
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