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Nicht tot genug 14

Titel: Nicht tot genug 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Boxergesicht war Anfang fünfzig, überall gewesen, hatte alles gesehen und miterlebt und es dennoch nie geschafft, Karriere zu machen. Jetzt stand er kurz vor der Pensionierung und genoss es, den Jungspund einzuweisen. Oder, besser gesagt, ein williges Publikum für seine Geschichten zu haben, für die sich ansonsten niemand interessierte.
    Sie fuhren durch die müllübersäte West Street, deren Clubs inzwischen geschlossen hatten. Auf den Gehwegen lagen Glasscherben, Imbisspackungen und all die anderen Überreste einer langen Samstagnacht. Zwei Reinigungsfahrzeuge bewegten sich langsam durch die Straße und säuberten die Rinnsteine.
    »Natürlich war es damals anders«, erzählte Bill Norris gerade. »Zu der Zeit hatten wir unsere eigenen Informanten, verstehst du? Als ich beim Drogendezernat war, haben wir mal einen Delikatessenladen in der Waterloo Street hochgenommen. Ich wusste genau, ich konnte mich auf meinen Informanten verlassen, obwohl wir zwei Monate lang auf der Lauer gelegen haben.« Er tippte sich an die Nase. »Bulleninstinkt. Den hat man oder hat man nicht. Du wirst es bald herausfinden, mein Sohn.«
    Die Sonne blendete sie, und David Curtis hob schützend die Hand, damit er den Gehweg und die vorüberfahrenden Autos beobachten konnte. Bulleninstinkt. Den hatte er ganz sicher.
    »Und du brauchst einen starken Magen. Unbedingt«, fuhr Norris fort.
    »Ich habe einen Magen wie aus Eisen.«
    »Wir saßen also in diesem verfallenen Haus, genau gegenüber, und kamen immer durch einen Gang von hinten rein. Das war saukalt, sage ich dir. Zwei beschissene Monate! Wir haben uns den Arsch abgefroren! Dann habe ich einen alten Mantel gefunden, den irgendein Penner dagelassen hatte. Den habe ich angezogen. Zwei Monate lang haben wir Tag und Nacht in dem Kasten gesessen, immer mit dem Fernglas vor der Nase. Sonst hatten wir nichts zu tun. Also haben wir uns Geschichten erzählt. Jedenfalls fährt eines Abends eine große Limousine vor, ein Jaguar –«
    David Curtis wurde vorübergehend von der Geschichte erlöst, die er schon zweimal gehört hatte, weil sich die Zentrale über Funk meldete.
    »Sierra Oscar ruft Charlie Charlie 109.«
    Er klemmte sein Funkgerät an die Schutzweste und meldete sich: »Hier 109, was gibt’s?«
    »Wir haben hier eine Meldung, Dringlichkeitsstufe zwei. Seid ihr gerade frei?«
    »Ja, erbitte die Einzelheiten, over.«
    »Die Anschrift ist Wohnung 4, 17 Newman Villas. Bewohnerin Sophie Harrington. Sie ist gestern Abend nicht zu einer Verabredung mit einer Freundin erschienen und geht seitdem auch nicht ans Telefon oder an die Tür, was vollkommen untypisch zu sein scheint. Könnten Sie die Sache bitte überprüfen?«
    Curtis wiederholte die Angaben und bestätigte. »Wir sind schon unterwegs.«
    Norris war erleichtert, dass sie zur Abwechslung einmal zu einem richtigen Einsatz kamen, wendete schwungvoll und schoss mit quietschenden Reifen los.
    56
     
    ER ENTSCHULDIGTE SICH bei Marcel Kullen und nahm das Gespräch an, doch als er die bissige Stimme am anderen Ende hörte, wünschte er sich, er hätte es klingeln lassen.
    »Wo sind Sie, Roy? Hört sich an, als wären Sie im Ausland unterwegs.« Seine Chefin Alison Vosper höchstpersönlich, und sie klang nicht gerade erfreut. »Das war doch kein englisches Rufzeichen.«
    Mit diesem Anruf hatte er nun wirklich nicht gerechnet und daher auch keine Antwort parat. Als er mit Marcel telefoniert hatte, war ihm der andere Klingelton auch aufgefallen. Lügen war also zwecklos.
    Er holte tief Luft. »In München.«
    Am anderen Ende erklang ein Scheppern, dann wurde es still. Schließlich meldete sich Vosper wieder und sagte knapp: »Ich habe meinen Kaffee verschüttet. Ich rufe nachher noch mal an.«
    Grace legte auf und verfluchte sich, weil er die Reise nicht besser geplant hatte. Natürlich stand ihm im Grunde ein freier Tag zu, und er hatte auch für eine angemessene Vertretung gesorgt, doch Vosper sah so etwas völlig anders. Aus unerklärlichen Gründen mochte sie ihn nicht – es hatte wohl auch mit seiner schlechten Presse in der letzten Zeit zu tun – und sie nutzte jede Gelegenheit, um ihn bloßzustellen oder seiner Karriere zu schaden. Dass er im frühen Stadium einer Mordermittlung einfach ins Ausland gereist war, würde ihr gar nicht gefallen.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Kullen.
    »Bestens.«
    Sie fuhren an einem efeubewachsenen Gebäude mit Säulen vorbei. »Das ist ein Standesamt«, erklärte Kullen.
    Sein Magen

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