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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Aufregendes zu bieten. Nur eine Meldung fiel ihm auf: »Bauprojekt des Bundes gescheitert?« lautete die Überschrift, »Baukommission sieht Millionenschaden entgegen« der Untertitel. Er ließ die siebenundzwanzig Zeilen ausdrucken und nahm das Blatt Papier aus dem Drucker, um es Peter Zettel zu bringen. Das fiel in dessen Mammutprojekt »Die Baustellen Berlins«.
    Becker klopfte nicht an, bevor er Zettels Zimmer betrat. Das hätte auch nichts genützt, denn Zettel war nicht da. Schon wieder nicht, dachte er und legte ihm das Blatt Papier auf den Schreibtisch, der, wie er das von Zettel nicht anders gewohnt war, makellos aufgeräumt war – bis auf den kleinen Stapel von Hauspost, Briefen und Notizen, die sich im Laufe der Woche hier angesammelt hatten.
    Zettels Computer lief im Standby-Modus, nur den Ventilator der Zentraleinheit hörte man leise rauschen. Die ganze Wand hinter dem Schreibtisch war bedeckt von einer Karte Berlins, auf der das Amt für Wohnungswesen sämtliche Projekte eingetragen hatte, die den Charakter der Stadt in den nächsten Monaten und Jahren gründlich verändern würden. Einiges war bereits realisiert, anderes war Baustelle, wieder andere Projekte befanden sich erst im Planungsstadium.
    Immer wenn er in Zettels Zimmer war, stand Becker minutenlang wie gebannt vor diesem gigantischen Prospekt der Stadt. Und jedesmal sagte er sich, daß Zettel unmöglich alle Baustellen Berlins kennen konnte. Andererseits würde das seine ständige Abwesenheit erklären. Wer in jede Baugrube noch vor dem Richtfest geguckt haben wollte, mußte Tag und Nacht unterwegs sein.
    Hans stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und suchte mit den Augen nach dem Pariser Platz. Er mußte aus Versehen an die Maus gestoßen sein, die Zettel auf einem Mousepad mit der sinnigen Aufschrift »Ich steh auf dem Grundgesetz!« geparkt hatte. Die Matten waren vom Bundeskriminalamt am Tag der offenen Tür ausgegeben worden. Jedenfalls erwachte plötzlich der Bildschirm mit leisem Knistern zum Leben. Unwillkürlich sah Becker hin.
    Mit der Erwärmung der Bildröhre kam ein rotes Quadrat auf blauem Grund zum Vorschein, in dessen Mitte sich die Lettern »Paßwort???« befanden. Der Cursor blinkte auf der ersten Stelle eines freien Kästchens direkt darunter.
    »Da schau her!« murmelte Becker.
    Zettel hatte seine Dateien gesichert – ganz im Gegensatz zu den anderen Kollegen, in deren Computern Hans gestern nach Dienstschluß nach Spuren der gefälschten dpa-Meldung gefahndet hatte. Die meisten Festplatten, hatte er dabei festgestellt, waren in einem erbärmlichen Zustand. Defragmentierung hatte seit Monaten nicht stattgefunden, temporäre Dateien verstopften den Speicherplatz, und die wenigsten schienen davon gehört zu haben, daß man gelöschte Dateien auch aus dem virtuellen »Papierkorb« entfernen mußte, wenn man Wert darauf legte, daß sie auch wirklich verschwunden waren.
    Lillys Papierkorb quoll geradezu über. Das hatte die Suche leicht gemacht: Auf ihrem Computer war die Meldung nicht gefälscht worden – korrekter gesagt: Auf ihrem Computer war die Fälschung nie gespeichert gewesen. Wer schlau war, hätte ein solches Dokument natürlich nie, auch nicht vorübergehend, auf der Festplatte abgelegt – jeder Speichervorgang hinterließ Spuren. Becker aber rechnete mit der Dummheit der Menschen – und mit ihrer Eitelkeit. Durchaus vorstellbar, daß der Täter (oder die Täterin) die gefälschte Meldung ordnungsgemäß abgelegt hatte in irgendeinem elektronischen Ordner, Name »Erstunken & Erlogen«.
    Ohne groß nachzudenken, tippte Hans »Berlin« in den Computer und drückte dann die Eingabetaste. »Noch zwei Versuche!« erschien es jetzt drohend auf dem Bildschirm. Kurz durchfuhren Hans Skrupel – andererseits: Wer seine Datenbestände so absicherte, hatte unter Garantie etwas zu verbergen. Und wahrscheinlich würde er das Paßwort sowieso nicht treffen, also konnte er getrost einen weiteren Versuch unternehmen.
    Sein Blick fiel auf das Foto des schwarzen Labradors, Zettels Hund, den er öfter Gassi geführt hatte, immer, wenn Zettel ihn ins Büro mitgebracht hatte und dann plötzlich zu einem angeblich wichtigen Termin mußte.
    Damals hatten sich alle gewundert, vor gut einem halben Jahr, als Peter Zettel sich als frischgebackener Hundebesitzer vorstellte. Irgendwie paßte das nicht zu ihm. Vielleicht, dachte Hans, weil er so kühl wirkt. So ganz und gar unsentimental. So verdammt abgebrüht für sein

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