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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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erkennen kann. Köln, es geht um Köln, und das Kinderheim ist in der Eifel. Weit weg. Nicht hier.
    »Da ist auch ein Bericht über die Zustände, die früher in solchen Kinderheimen geherrscht haben müssen. Das grenzt schon an Misshandlung, da wird’s einem wirklich schlecht, wenn man das so liest.« Sabine hält ihm die Zeitung hin. »Kurt macht das auch noch manchmal zu schaffen, sagt Marion.«
    »Kurt, wieso Kurt?«
    »Kurt ist doch Waise und deshalb auch in einem Heim aufgewachsen, weißt du das denn nicht?«
    »Kurt? Im Heim?« Er starrt sie an.
    Sabine lacht. »Ihr Männer, das ist wieder typisch für euch, ihr seid wirklich unglaublich! Da latscht ihr seit Jahren zusammen über sämtliche Felder, die Darmstadt zu bieten hat, um Hessens Geschichte zu rekonstruieren – aber über eure eigene Vergangenheit schweigt ihr euch aus.«
    ***
    Manni gibt Gas, der schwindsüchtige Passat, der ihm an diesem Morgen zugeteilt wurde, macht einen erschrockenen Satz vorwärts bis zur nächsten roten Ampel. Neben ihm auf dem Beifahrersitz wird Ekaterina Petrowa unsanft nach vorn und wieder zurück katapultiert. Trotzdem verzieht sie keine Miene, sondern zupft nur würdevoll den Saum ihres signalorangerosa gestreiften Kleids zurecht. Wird es ihr in dem Wohnhaus der Vollenweiders gelingen, den Tathergang zu rekonstruieren? Es ist einen Versuch wert, hat er entschieden, und obwohl die rechtsmedizinischen Untersuchungen der Kinderskelette noch andauern, hat sie seinem Vorschlag, ohne zu zögern, zugestimmt.
    Die Gebeine von neun Kindern hatten sie am Ende des gestrigen Tags schließlich in dem Garten des Heims freigelegt. Neun tote Kinder, für die es nie einen Grabstein gab, die offenbar niemand vermisste, als hätten sie niemals existiert. Wer sind diese Kinder? Wie sind sie gestorben? Und wer hat sie dort verscharrt? Keine dieser Fragen können sie bislang auch nur halbwegs befriedigend beantworten. Es wird Wochen dauern, das Erdreich akribisch nach eventuellen Spuren zu durchsieben und die Skelette vollständig zu bergen. Und selbst wenn die Untersuchung abgeschlossen ist, wird sich wohl nicht zweifelsfrei nachweisen lassen, seit wann es dieses Grab gibt. »In der Forensik existiert derzeit kein validiertes Verfahren, das eine sichere Datierung der postmortalen Liegezeit zulässt«, lautet die diesbezügliche Ansage zum Stand der Technik in der Rechtsmedizin. Will heißen: Die toten Kinder können 20, 30 oder auch 60 Jahre lang in dem Gemüsebeet gelegen haben, möglicherweise auch länger, allein anhand der Skelette ist der Zeitpunkt ihres Todes nicht zu klären. Und auch die Todesursache ist noch völlig offen. Sicher ist nur, dass sich bislang an keinem der Skelette Spuren einer zwingend tödlichen Verletzung fanden. Sicher ist auch, dass in deutschen Kinderheimen sowohl unter den Nazis als auch in der Nachkriegszeit schwere Misshandlungen an der Tagesordnung waren.
    Die Ampel schaltet auf Grün, der Wagen säuft ab. Fluchend tritt Manni ihn wieder wach. Zwei der toten Kinder hatten zu Lebzeiten Knochenbrüche an Armen und Beinen erlitten, drei der Skelette wiesen Deformierungen auf, wie sie für eine durch Vitamin-D-Mangel bedingte Rachitis typisch sind. Doch gebrochene Knochen müssen nicht zwangsläufig ein Indiz für Misshandlungen sein. Auch schlechte Ernährung muss nicht bedeuten, dass jemand die Kinder absichtlich hungern ließ. Sie kann eine Folge des Kriegs oder auch der Nachkriegszeit sein, oder überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun gehabt haben.
    Der Fall nimmt immer absurdere Züge an, führt immer tiefer in einen Sumpf. Erst hatten sie ein Opfer, dann drei verschollene Leichen, und auf der Suche nach diesen stößt er auf ein Massengrab. In Windeseile hatte sich die Kunde von seinem Fund verbreitet. Immer zahlreicher drängten sich Pressevertreter und Gaffer am Absperrband, und bald schon machten Gerüchte die Runde. Die ganz Alten aus der Gegend erinnern sich noch, hieß es auf einmal. Erinnern sich an die grauen Busse mit den verhängten Fenstern, die in den 40er-Jahren nachts zum Haus Frohsinn kamen und Kinder abholten, die niemand danach je wiedersah. Kinder, die für Hitlers Schergen ›Ballastexistenzen‹ waren, unnütze Esser, denen man das Recht zu leben absprach. Weil sie als behindert galten. Krank. Verwirrt. Aufmüpfig. Asozial. Nicht normal. Nicht passend im Weltbild der Herrenmenschen.
    Euthanasie. Ein unsägliches Wort. Dass in den Heimen der Nazizeit gnadenlos selektiert wurde, ist trotz

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