Nichts für Anfänger - Roman
Art, wie sie mich nicht ansah, dass es wieder einer dieser Bienchen-und-Blümchen-Spaziergänge werden würde. Also willigte ich irgendwie ein, so, wie man gehorcht, wenn Spits McGee einen an die Tafel ruft, obwohl man weiß, dass er einen boxt, sobald man vorne angekommen ist.
Also wartet sie ab, bis wir das Tor zum Park erreicht haben, und dann legt sie einen Kickstart hin und sagt, dass sie heute Morgen Gaybos Show im Radio gehört hat und es um all diese jungen Leute heutzutage ging und was sie treiben, wenn ihre Eltern gerade nicht hinsehen. Und was sie in den Discos Wesley und Bective machen und dass die Polizei andauernd um Mitternacht Jungs und Mädchen unten an den Zuschauertribünen vom Landsdown-Road-Stadion dabei erwischt, wie sie gegenseitig ihre Schniedel und Mumus befingern. Und dass sie weiß, dass ich dafür noch viel zu jung bin und Saidhbh eher wie eine große Schwester für mich ist, vermutlich eine Art Fiona-Ersatz, nur mit ein bisschen Knutscherei, das hat sie von Claire und Susan gehört, und sie will nur sichergehen, dass es dabei bleibt.
Natürlich mache ich einen auf: Sei doch nicht blöd, Mam, ich weiß doch noch nicht mal richtig, wie man sich vernünftig küsst. Es sprudelt nur so aus mir heraus, wie absolut unterirdisch schlecht ich und Saidhbh in allem sind, was übers Händchenhalten hinausgeht. Ich gebe noch nicht einmal zu, dass wir uns küssen, und mache stattdessen ein Bääääh-Gesicht, wenn Mam das Wort benutzt. Ich lasse sie endlos ihre Theorie weiterspinnen, dass Saidhbh die neue Fiona ist, weil es sie offenbar so glücklich macht und ihr wohl das Gefühl gibt, dass es wenigstens einen Teil in Mams Leben gibt, der nicht völlig auseinanderfällt.
Ich lasse sie noch eine Weile allein vor sich hin plaudern, während wir die Basketballplätze umrunden und das kleine Stückchen Park durchqueren, in dem es Bäume gibt und nachts bestimmt auch ein paar Perverse und Kinderschänder und Junkies. Und dann, gerade als wir zurück zum Hauptportal gehen wollen, wird Mam total komisch, und ihre Stimme wird ein bisschen heiser und rotzig, und sie erzählt mir, wenn es bei uns in Irland die Scheidung gäbe, hätte sie sich von »deinem Vater«, also Dad, schon vor Jahren scheiden lassen. Sie sagt nicht, warum, aber ich nehme mal an, dass das ganze Gelaber über Pärchen und Knutschen und was man tun darf und was nicht sie an die Anfänge ihres Liebeslebens erinnert hat und an all die Jungs, die sie in der Haustür geküsst hat, als ihr eigener Vater noch von oben auf den Boden getrampelt hat. Und vielleicht dachte sie ja auch an einen ganz bestimmten Typen. Dad macht sich nämlich immer über Tim Coolan lustig, diesen blöden, glatzköpfigen Idioten, der alle drei Monate vor unserer Haustür steht und Pralinen für die Familie mitbringt und ein Buch über Snooker-Statistiken für Dad, aber eigentlich wegen Mam da ist, weil sie früher mal zusammen waren. Tim ist Witwer, aber Dad macht Witze darüber, dass er seine Frau um die Ecke gebracht hat, weil er es nicht ertragen konnte, Mam an so einen gut aussehenden, genialen Verkäufer verloren zu haben.
Doch das lustige Witzereißen dauert meist nicht lange, weil Mam dann zurückschlägt und Dad sagt, da hätte sie sich ganz klar für den Falschen entschieden, oder sie sagt ihm in scharfem Tonfall, er soll still sein, und wir merken uns alle ganz genau, was er gesagt hat, weil er damit ganz offenbar voll ins Schwarze getroffen hat. Nachdem sie mir jedenfalls gesagt hat, dass sie sich von Dad hätte scheiden lassen, wenn dieses Land nicht so zurückgeblieben und vollgepackt mit zeigefingerwedelnden Hinterwäldlern wäre, wird sie ganz still und schniefig, und ohne zu ihr raufzusehen, weiß ich genau, dass sie sich die Augen ausheult. Ein Teil von mir will sie fragen: Denkst du gerade an Tim Coolan? Aber der Rest von mir weiß, dass es furchtbar sein muss, mit einem menschlichen Morgenmantel verheiratet zu sein, der jeden Tag ein paar Zentimeter weniger vom Tod entfernt ist, und wenn du das mit dem ersten Mal vergleichst, als du einen Typen geküsst hast oder er dich im Arm gehalten hat oder du ihm zum ersten Mal gesagt hast, dass du ihn liebst, dann ist das so, als würde man die süßeste, luftigste und cremigste Pavlova mit einem Teller Scheiße vergleichen.
Aber egal, sie heult sich jedenfalls mal ordentlich aus, und als wir zu Hause ankommen, ist alles wieder gut, und sie ist wieder bereit, Dad als weltbeste Mam aus seinem Morgenmantel zu
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