Nichts für Anfänger - Roman
Weetabix-Packung auf den Tisch und schieße die Treppe hoch, bevor er sich am Cornflakes-Regal festhalten und aufrappeln kann.
Normalerweise würde er jetzt aufgeben und ins Wohnzimmer humpeln und den Rest des Morgens schwitzend und außer Atem auf dem Sofa verbringen. Er hat schon seit Monaten niemanden mehr die Treppe raufgejagt, vielleicht sogar schon seit einem Jahr nicht mehr. Wegen seinem Zustand. Aber diesmal ist bei ihm irgendwas übergekocht. Und tatsächlich höre ich ihn, als ich gerade meine Zimmertür erreicht habe, wie er in einer Art irrem Halbkaracho aus der Küche die Treppe hochsprintet, wobei er mit dem Rohrstock das Geländer entlangklackert. Als hätte er jeden einzelnen letzten Kraftimpuls seines spindeldürren Körpers runter in seine Beine gepumpt.
Scheiße! Ich spurte aufs Klo und schließe die Tür ab. Binnen Sekunden ist er da. Er hämmert heftig dagegen und brüllt mich an wie ein Bastard. Er sagt, ich bin eine Schande, eine ekelhafte Schande und verdammt noch mal nicht sein Sohn. Eine gute halbe Stunde lang drischt er so auf die Tür ein und nennt mich eine ekelhafte Schande, wenn er genug Atem geholt hat. Natürlich geht ihm irgendwann vollends die Luft aus, und er setzt sich mit dem Rücken zur Tür auf den Boden.
Mam kommt aus der Kirche nach Hause und schreit auf, als sie ihn dort sieht. Ich komme hervorgekrochen und helfe ihr, ihn ins Bett zu tragen, bevor sie den Arzt ruft. Dad bekommt noch mehr Schmerzmittel und eine riesige Flasche Lucozade-Sportgetränk, und von jetzt an soll er nur noch zweimal am Tag aufstehen. Den Debs erwähnt er mit keinem Wort mehr. Bei mir nicht. Bei Mam nicht. Und wann immer es möglich ist, vermeidet er von diesem Tag an, mit mir zu sprechen oder mir in die Augen zu sehen oder meine Anwesenheit sonst irgendwie zur Kenntnis zu nehmen.
13
Andere Umstände
W eniger als drei Wochen nach dem Abschlussball sag t mi r Saidhbh, dass sie schwanger ist, am 21. Juni 1985. Das ist wie in diesem Buch. Die beste aller Zeiten und die schlimmste aller Zeiten. Und in diesen Zeiten sind ich und Saidhbh einander näher denn je und wieder Vollzeit mit Fummeleien beschäftigt. Und sie droht sogar nicht mehr damit, beichten zu gehen. Wir sind wie richtige Erwachsene und gehen ins Kino und lernen zusammen und küssen uns, und ich frage sie über ihren Bio-Stoff für die bevorstehenden Abschlussprüfungen ab – Kammerwasser und Glaskörper, alle dreiunddreißig Wirbelknochen, Nieren und Venen und so weiter. Sie fragt mich zu Peig ab und aus den Geschichts- und Erdkundebüchern fürs nächste Jahr, alles in der Hoffnung, dass ich noch mal die Kurve kriege und nicht mehr so ein Schandfleck für meine Familie und meinen sterbenden Dad bin.
Und was das angeht, bleibt Dad auch in diesen Zeiten und trotz der bedrückenden Prognosen der Ärzte in einem permanenten Zustand des Sterbens, zum Glück ohne tatsächlich zu sterben. Seinen grauen, kratzigen Morgenmantel zieht er noch immer nicht aus, und trotz der neuen Anweisung verlässt er immer noch das Schlafzimmer, wann immer ihm danach ist, um unten ein bisschen mit Mam zu plaudern und trockenen Toast zu essen und sich ganz manchmal furchtbar aufzuregen, wenn bei Gay Byrne eine ganze Sendung lang über Scheidung diskutiert wird. Das wirkt sich positiv auf die Atmosphäre im gesamten Haus aus. Und obwohl er sein Bestes tut, um mich zu ignorieren, und seit dem Super- GAU am Morgen nach dem Debs kaum einen Blick in meine Richtung geworfen hat, herrscht zu Hause nicht mehr ausschließlich Grabesstimmung. Mam zumindest wirkt fröhlicher und nennt Dad wieder einen schlimmen Kerl und schwingt große Reden darüber, dass alles Schlechte auch sein Gutes hat und dass sie jetzt nicht mehr halb so viel putzen muss wie vorher, wo sie ihre zwei kleinen Hausmädchen hat, die ihr helfen.
An dieser Stelle schnattern Susan und Claire dann normalerweise los und sagen ihre Version eines Gedichts auf, das sie bei Schwester Maureen in der Schule gelernt haben, und falten die Hände unterm Kinn und rufen: »Zwei kleine Mädchen kommen nach Haus.« Und alle, die ihnen zuhören, fangen an zu lachen, sogar Dad. Und dann schwingen auch sie große Reden darüber, dass Hausmädchen zu werden das Beste ist, was ihnen hätte passieren können, und dass sie jetzt ohne Mams Hilfe Staubsaugerbeutel wechseln und ein ganzes Blech deutschen Apfelkuchen backen können. Sarah und Siobhan kommen unterdessen jeden Sonntag mit aufregenden Geschichten aus der Welt der
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