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Nichts für Anfänger - Roman

Nichts für Anfänger - Roman

Titel: Nichts für Anfänger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Maher
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sich auf allen vieren über uns zu beugen, über einen nach dem anderen, wie ein Familienhund, der eine Reihe verschiedener Fressnäpfe inspiziert. Über jedem von uns verharrt er einen Augenblick und kommt mit seiner stinkigen Alkoholfahne ganz nah und atmet uns mit zittriger Kehle ein, während er darüber nachdenkt, was als Nächstes zu tun ist.
    Er bleibt bei mir hängen, natürlich, und lässt seinen riesigen, furchtbaren Kopf ganz auf meinen fallen, Stirn an Stirn, mit einem ordentlichen Klonk.
    Wach auf, Hündchen!, flüstert er, ganz spuckig und feucht. Wach auf, Hündchen!, während er mir fest und lautlos mit dem nackten Finger in die Rippen stochert. Ich halte die Augen weiterhin geschlossen und stelle mich tot, sogar noch, als aus seinem Stochern richtige Fausthiebe werden. Nichts. Er lässt seinen Kopf neben mein Gesicht sinken und beißt mir richtig mies ins Ohrläppchen. Immer noch nichts. Er nennt mich noch einmal sein Hündchen und sagt, dass ihm meine Faxen bis ans Lebensende reichen, und er hat sich gerade darangemacht, den Reißverschluss von meinem Schlafsack zu öffnen, als es in letzter Minute, so nach dem Motto: Hier kommt die Kavallerie!, draußen an der Reißverschlusstür Klopf! Klopf! macht.
    Es ist Vater Jason, der, wie er sagt, eine ganze Zwei-Liter-Flasche Limonade über seinen Schlafsack und seine Isomatte gekippt hat, und würde es O’Culigeen etwas ausmachen, wenn er, nur für diese eine Nacht, sein Lager hier bei uns mit aufschlägt? O’Culigeen stöhnt und reißt sich zusammen und heißt Vater Jason unterkühlt willkommen. Schon bald liegen die beiden Männer Seite an Seite in der Dunkelheit, Vater Jason gegen die Zeltwand und Vater O’Culigeen gegen die Mittelstangen und fünf verschiedene Paare Jungsfüße gedrückt. Binnen Sekunden ist Vater Jason eingeschlafen, aber ich merke genau, dass O’Culigeen noch eine Ewigkeit wach liegt. Fast bilde ich mir ein, hören zu können, wie seine Glupschaugen frustriert auf- und zuklappen. Dann strecke ich meinen linken Fuß aus und verpasse seinem rechten Oberschenkel eine ordentliche sexy Streicheleinheit, nur damit er weiß, dass ich noch immer hier liege und er eine nette Kostprobe von dem bekommt, was er verpasst.

16
    England
    D ie Fähre nach Holyhead ist super. Total aufregend. Draußen auf dem Deck haben ich und Saidhbh jede Menge Spaß. Und für einen Teil der Reise vergessen wir sogar, dass wir rüber nach London fahren, um ein Baby zu töten. Wir sind umringt von Iren, und alle saufen sich die Hucke voll, obwohl es neun Uhr morgens ist. Ein paar Engländer sind auch da, aber die sind leicht zu erkennen, weil es hauptsächlich Familien sind und sie in ordentlichen Klamotten dasitzen und Zeitung lesen und hoffen, dass es ihren Peugeots und Rovers unten auf dem Autodeck gut geht und ihre Außenspiegel durch den Seegang nicht versehentlich aneinanderschrappen.
    Die Iren sind unterdessen bester Laune, O’Kellys Sea Lounge platzt aus allen Nähten, und sie haben Spaß und machen Witze und machen ihrem Land alle Ehre. Wenn du ein Amerikaner an Bord wärst, oder sagen wir mal ein Chinese, würdest du die Iren sehen, und dann würdest du die Engländer sehen, und du wüsstest sofort, in welchem Land man am meisten Spaß hat. Du würdest auf direktem Weg zu den Iren gehen und sagen, Jungs, auf ein Pint, und lasst mich bei euch sitzen und euch dabei zusehen, wie alle ein bisschen verrückt und lustig und angeschickert sind!
    Und die Iren sind hier in drei kinderleicht voneinander zu unterscheidenden Gruppen unterwegs. Da sind die Typen, die allein reisen, sie sitzen an kleinen Tischen mit einem Pint und riesigen Rucksäcken und sehen alle ein wenig traurig darüber aus, dass sie auf diesem Boot sind und ihr Heimatland für immer verlassen müssen, um sich Arbeit als Bauarbeiter oder Straßenkehrer in London zu suchen. Einer dieser Typen neben uns hat ein Buch vor seinem Pint liegen, das Dubliners heißt. Saidhbh hat es für die Abschlussprüfung gelesen, deshalb hat sie es sofort erspäht. Der Typ liest es gar nicht. Es ist eher eine Art Symbol, damit alle wissen, und auch er selbst, dass er zwar seinem Heimatland den Rücken kehren muss, vielleicht sogar für immer, aber dass er trotzdem ein ganz bodenständiger Typ ist, der Bücher liest, die Dubliners heißen und nicht Irland ist irgendwie kacke und da gibt es keine Jobs.
    Die zweite Sorte Iren an Bord sind Rudel. Rudelweise Bauarbeiter, die sich glücklich an ihrem Pint festhalten

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