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Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Titel: Nichts Weißes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Erdmann Ziegler
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Superaffengeile Bildidee, und du bist der King.«
    »Lektüre ist Pflicht«, brummelte der Schmale. »Der Theweleit mindestens. Den musste draufhaben.«
    »Kein Problem«, sagte Marleen. »Worauf läuft das Ganze denn hinaus? Sollen das am Ende Plakate werden?«
    »Plakate!«, blökte der Blonde. »Es gibt nicht jedes Semester Plakate. Das ist hier nicht die Langweilerakademie. Vielleicht gibt’s ’nen Film. Bei Hagen weiß man nie. Bring erst mal ’ne gute Bildidee. Das ist Minimum. Sonst fliegste gleich wieder raus.«
    Marleen überlegte einen Augenblick, ob sie ihren Namen von der Liste streichen sollte, still, und dann gehen. Stattdessen faltete sie das Blatt auf Achtelformat und verstaute es in der Hintertasche ihrer Hose. Die Assistenten gafften, als sähen sie einen Striptease.
    Dann trieb das Grün, Ideen wurden bebrütet und schlüpften im Mai. Es gab keine Mappe mehr ohne schwarz-weiße Fotos, und auf den Fotos sah man immer das schwarz-weiße Kleid: die Passantin in der Gasse; die Hausfrau zwischen den Töpfen; die Lady an der Bar. Ganz für sich, ohne Modell, klirrte es als Flagge im Wind, geisterte durchs Fernsehen, wurde drapiert als Ramsch. Das schwarz-weiße Unding diente als Vorhang, der sich öffnet, und dahinter erschien, natürlich, die Frau entblößt, als Pin-up oder Leiche. Die Tage wurden länger, und die Männer bekamen etwas zu sehen, nämlich ihre Wünsche im konvexen Spiegel, weil das Kleid kein schönes war, und die Frauen hatten so oder so ihren Spaß.
    Um diese Zeit war Franziskus seine Bleibe gekündigt worden, eine klapprige Bude in Wilhelmshöhe. Zwar war er dort kaum gewesen, weil er die Kasseler Nächte ohnehin bei Marleen verbrachte, aber freiwillig bei ihr zu sein oder aus Notwendigkeit, war nicht dasselbe. Marleen hatte sich daran gewöhnt, dass er in den Semesterferien verschwand, nach Regensburg oder München oder wer-weiß-wohin und sie nicht mitnahm. Sein Pendeln zwischen Göttingen und Kassel, zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten, das ahnte Marleen, schadete ihr nicht. Er war etwas schüchtern, wenn es darum ging, sich ganz auszuziehen, aber umso schöner das Leuchten der Früchte beim Pellen im Halbdunkel; seine Hände trocken und sein Herz fast zu hören, einer der nicht schwätzt und nicht schmatzt. Wie eine Wippe, die auf der einen Seite mehr Gewicht braucht, damit die andere in die Höhe geht, musste Marleen sich schwer machen, sich erden, um ihn in die Schwebe zu bringen; das interesselose Wohlgefallen, die unschuldige Wollust. Einmal, vielleicht ausVersehen, hatte er sogar danke gesagt; sie tat ihm gut, das wusste sie.
    Er brachte, als er bei ihr einzog: eine schwenkbare Lampe, ein Köfferchen mit Unterwäsche und Schlafanzug, eine gerahmte Zeichnung und zwei Dutzend Bücher mit furchteinflößenden Titeln. Jetzt, bei ihr wohnend, las er ihre Bücher einfach mit, und manchmal sah sie ihm dabei zu. Er studierte die Notiz über den Autor, dann blätterte er weiter bis zum Impressum, womit er sich eine Weile aufhielt. Er suchte das Inhaltsverzeichnis, wählte ein Kapitel und las dieses dann durch, ohne das Buch wegzulegen. Er las weitere Kapitel an; hielt später das Buch in einer Hand, als schätzte er das Gewicht; und blätterte es dann noch einmal durch wie ein Daumenkino.
    Er brauchte Zeit, um seine Sprache wiederzufinden:
    »Also, Männerphantasien ist ein absichtlich spektakulärer Titel. Es geht aber eigentlich nur um das Bild, das Männer von sich selbst haben, letztendlich um Klischees. Darauf will dieser Theweleit hinaus. Er schafft tonnenweise Material ran. Alles, was abgehandelt wird, wird vorgeführt im Sinne dieser Klischees. Es geht ihm nicht um etwas Faktisches, also wie es Königen und Helden ergangen ist oder so, sondern nur darum, wie Männer ihre eigene Geschichte geschrieben sehen wollen. Was sie sich abverlangen. Es ist eine Art Schwarzbuch des männlichen Stolzes.«
    »Franz, wenn ich das durchlesen soll, geht der Sommer dabei drauf.«
    »Wer weiß, ob Hagen Kluess und seine Spießgesellen es überhaupt ganz gelesen haben. Ich mache dir einen Vorschlag. Du suchst dir drei Fallbeispiele. Oder ich suche dir welche raus, wenn du willst. Das reicht erstens, um die Methode zu kapieren. Zweitens kann man sich drei Geschichten locker merken. Fragt dich jemand nach Theweleit, spuckst du einfach ein Beispiel aus. Das ist viel besser, als anderen vorzumachen, man hätte fünfhundert Seiten gelesen. Natürlich nimmst du nicht alle Beispiele aus dem

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