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Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Titel: Nichts Weißes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Erdmann Ziegler
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war, was hinter der Taste F5 oder F8 verborgen war, wie man ein System konfigurierte oder für eine Anwendung zurechtstutzte. Alain war spät eingestellt worden, weil niemand sonst bereit gewesen war, den Arbeitstag vor einem schwarzen Glas zu verbringen mit einem brummenden Kasten neben dem Knie. Er hatte Grafik studiert und sich im Mac eingefuchst, und als sich zeigte, dass die Welt des Mac rasch größer wurde, kam Monique dazu. Sie hatte von der ersten Klasse an Boole’sche Algebra gelernt, »ganz mein Ding«, bekannte sie, die kaum die Optima von der Kosmos unterscheiden konnte. Passeraub sah darüber hinweg, ein weiser Meister, nicht mehr die Spur von einem Schweizer Bauernbuben, der er einst gewesen war.
    Noch war nicht klar, was Marleens Aufgabe sein würde. Der Arbeitsplatz einer Zeichnerin, keine Tür, kurz vor dem Klo. Gehalt eher bescheiden. Wenn man mal ehrlich war. Und der Rat, der kam, war nicht immer der erhoffte. Einmal, im Frühjahr, wurde sie zu Fränzi ans Telefon gerufen. Das war Simone, die fragte, ob am Arbeitsplatz eine Swatch liegengeblieben sei, so eine schwarze, minimalistische.
    »Oh ja«, antwortete Marleen, »die liegt bei mir, nur ist die Batterie inzwischen leer.«
    Aber das war nicht alles. Simone wollte wissen, wie es aussehe in Paris und bei Passeraub und …
    »Sag mal, Marlene …«
    »Marleen.«
    »Sorry, Marleen. Sag mal, du hast es aber nicht auf dich genommen, die Tempi Novi in Ultrafett auszuführen?« Das Du war vielleicht etwas schroff, da man sich nicht kannte, klang aber im alemannischen Tonfall schmeichelnd.
    »Doch, das habe ich gemacht«, antwortete Marleen.
    »Du meinst, dass er das akzeptiert hat?«
    »Dass er was akzeptiert hat?«
    »Eine Ultrafett.«
    »Er hat sie doch selbst in Auftrag gegeben.«
    »Natürlich, aber … Ich habe neulich die Tempi verwendet, für ein Buch. Und bei der Gelegenheit habe ich nach der Ultrafett gefragt. Die Antwort war nein, die gäb’ es nicht.«
    »Ja, das kann sein. Die Markteinführung der Schnitte muss nicht gleichzeitig erfolgen.« Marleen war entschieden, den neutralen Ton durchzuhalten. Egal, was die am anderen Ende von ihr wollte. Sie stand schließlich mitten in der Werkstatt, an Fränzis Arbeitsplatz.
    »Du bist ja mutig.«
    War sie mutig? Marleen zögerte. Da hakte die andere nach.
    »Ja, ich habe mich schon bemüht«, sang Simone in blumigem Hochdeutsch. »Aber die haben mich ins Messer laufen lassen! Passeraub hat sie schon haben wollen, das ist richtig, aber der Stüssi hat mich gar nicht unterstützt, im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich jetzt Buchumschläge mache – die haben nicht die Möglichkeit, Entwürfe zurückzuweisen, nur weil ihnen das Geld aus den Ohren lampt.«
    Marleen dachte an die Entwürfe, die sie aus dem Mülleimer gerettet hatte bis unter ihr Bett. Sollte sie dieser Simone einfach sagen, dass es ihr an Begabung fehlte? Dass Stüssi immer höflich und oft auch ziemlich witzig sei?
    »Ich habe mich da durchgebissen«, sagte Marleen. Die andere stutzte. Das konnte ein verdecktes Eingeständnis sein.
    »Ich glaube nicht, dass sie Frauen dort wollen!«
    Marleen machte mehrmals höflich »Mmh, mmh«, ließ die Anruferin reden und nutzte deren nächste Atempause, um zu sagen, dass sie die Uhr sofort verschicken würde, was Marleen auch tat, mit dem nagelneuen Logo der Boutique RIEN auf einer Postkarte. Die Copyrightzeile las sich, winzig: »Schuller / Atelier PSF«.
    Rainer Stüssi erschien im Atelier immer im Anzug, kleinteilige Muster, Budapester Schuhe, Fliege, das einst blonde Haar nur noch als Kranz vorhanden und kurz getrimmt. Obwohl die Teilhaber keine offiziellen Funktionen, keine Titel hatten, war Stüssi der erste Ansprechpartner für die Kunden, im Französischen flüssig, im Englischen vokabelreich. Er merkte sich Namen, Produkte, Umsätze. Er hatte ein feines Sensorium für den Grad der Schwierigkeit. War eine Sache schwer überschaubar, verlangte er schwindelerregende Honorare, war sie eine Angelegenheit von zwei Tagen, preiste er sie demonstrativ auf den geringsten Stundensatz. Er telefonierte viel und zeichnete wenig.
    Niklas Furrer hatte mit Stüssi studiert. Furrer war ein glühender Anhänger der grafischen Moderne gewesen, hatte jede Seite nach Raster gebaut, Text im Flattersatz, immer die Kosmos , Bilder exakt auf Spalte beschnitten (ein-, zwei-, dreispaltig, nie größer). So war das Optimum der Lesbarkeit zu erreichen, davon war er überzeugt, Lesbarkeit im Redaktionellen, im

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