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Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
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leider wieder zurück in die Realität holt…
     
    Hier und da ein vereinzeltes, höfliches Klatschen. Nicht wirklich überschäumende Ekstase, wie ich feststelle. Da so gut wie alle Stühle besetzt sind, gehe ich davon aus, dass die komplette Besatzung des ED anwesend sein dürfte. Demnach rund hundert Leutchen – nicht gerade viel, im Vergleich zu drüben. Womöglich werden hier ja auch nur die Rentner untergebracht, was zumindest die eklatante, all gegenwärtige Ruhe erklären könnte. Ich überschaue nicht den ganzen Saal, aber diejenigen, die ich mit einem verstohlenen Schulterblick erkenne, sind definitiv über sechzig. Weit über sechzig! Erfahren oder ausgemustert - kann ich an dieser Stelle noch nicht sagen. Ich würde die Bezeichnung RD dem ED vorziehen; Rentnerdorf. Behalte die unartige Idee aber für mich.
       Wohl würden die Damen und Herren jetzt lieber nebenan im Restaurant sitzen und in Ruhe Ihr Frühstück essen oder Bingo spielen. Jedenfalls geht’s mir so. Während mir der Duft frisch gemahlener Bohnen in die Nase dringt, winkt Barkley mir von der Bühne aus zu.
       „Kommen Sie Brian!“, fordert er mich mit einer einladenden Bewegung auf.
       Widerwillig erhebe ich mich von meinem Platz in der ersten Reihe und trete vor auf die Bühne. Etwas, das ich nicht mag; Rampenlicht! Verlegen kratze ich mich daher am Bart.
       Barkley hatte mich zuvor schon, in einer kurzen Rede den Leuten vorgestellt. Jetzt, im Gegenzug, wurde von mir offensichtlich erwartet, dass ich dem einige Worte hinzufüge.
       „Guten Morgen…“, stammle ich kleinlaut.
       Hab’ keine Ahnung, was ich sagen soll.
       „Also…, da Sie alle Wissenschaftler sind, so wie ich, müsste ich mich schon schwer täuschen, wenn Sie jetzt nicht viel lieber eine heiße Tasse Kaffee trinken würden...“
       Für diesen Vorschlag erhalte ich sofort stürmischen Beifall.
       Tja, Lorenz Barkley! Hab’ doch gesagt, dass ich mit dem Wesen von Kühen halbwegs vertraut bin.
       Was sollte ich diesen Leuten auch sagen? Weiß ja selbst nicht so richtig, was ich hier soll…
       „Okay, okay!“, unterbricht Barkley die Entzückung der Anwesenden und erlöst mich damit.
       „Also lasst uns rüber gehen… Ich werde im Laufe des Tages mit Mister Barron in jeder Abteilung vorbeischauen und dann können wir noch im Detail besprechen, was als nächstes vorgesehen ist… Na macht schon!“ 
       Als die Leute sich, so schnell es in diesem Alter eben geht, von ihren Plätzen erheben und sich gesprächig durch die breite Tür Richtung Buffet drängen - der eine oder andere mir sogar dankend einen Thumb-Up entgegenstreckt - glaube ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich neige mich diskret rüber zu Barkley.
       „Was ist das für eine Abteilung?“, frage ich und deute mit dem Kopf auf die hintere, linke Stuhlreihe. Er schaut in die von mir angepeilte Richtung.
       „Buddhistische Mönche!“, reagiert er dann nonchalant.
       Absurd! Dort hinten stehen auffällig - in langen, wallenden roten Mönchskutten, drapiert mit orangenfarbenen Tüchern - fünf kahlköpfige Mönche im Kollektiv und beobachten seelenruhig den lautstarken Massenaufbruch. Da sie sich direkt vor der Glaswand befinden, erscheint es beinahe so, als ob sie außerhalb dieses Raumes stünden und wie Besucher eines Zoos in einen Käfig voller geifernder Affen starren würden.
       Wir befinden uns in einer Forschungsanstalt. Beschäftigen uns mit Elementarteilchen; Elektron, Nukleon, Proton, Neutron, Up- und Down-Quark, Myon, Neutrino, Strange-Quark, Tau und Pion – ziemlich genau in dieser Reihenfolge. Was haben buddhistische Mönche - um alles in der Welt – mit diesen Dingen am Hut?
       „Gastwissenschaftler?“, frage ich erstaunt. Eine andere Erklärung fände ich nicht.
       „Gast…?“, wundert sich Barkley. „Oh nein!“, begreift er meine Frage und lacht.
       „Nein. Um Gottes Willen. Das sind unsere wichtigsten Mitarbeiter! Soll ich Sie miteinander bekannt machen?“
       „Nicht jetzt!“, wiegle ich ab. „Lassen Sie uns erst mal einen Kaffee trinken… bin noch nicht so richtig wach.“
       Unsere wichtigsten Mitarbeiter? Jetzt geht’s aber los!
     
    Nach dem ersten Schluck fühle ich mich wohler. Barkley ist, zum Glück, an einem anderen Tisch aufgehalten worden und so sehe ich ihm, von meinem ruhigen Plätzchen aus zu, wie er sich angeregt mit drei Senioren unterhält. Von hier aus, einer Ecke des Restaurants, habe

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