Nichts
Augenwinkeln erkenne ich in seiner Hand eine Beretta-92 , eine halbautomatische neun Millimeter Pistole. Er schreit mich an und hält mir die Waffe entgegen. Kann ihn nicht verstehen, immer noch zu laut hier drin. Jedoch wird mir augenblicklich klar, dass er im Prinzip – außer seine Waffe abfeuern - kaum etwas ausrichten kann. Daher macht mir seine Drohung keine größere Sorge. Hab’ irgendwann mal gehört, dass Piloten ihre Fluggeräte mehr lieben als die eigene Frau. Also wird er kaum riskieren, abzudrücken, mich zu verfehlen und in den Körper seiner Geliebten zu ballern. Außerdem trennt eine massive Mittelkonsole das Cockpit quasi in zwei Hälften. Er kann also nicht mal eben über die hundert Schalter und Knöpfe springen. Robert hat sich mittlerweile gefangen. Er sitzt im Sichtschatten des Mannes und kann dadurch unbemerkt agieren. Geistesgegenwärtig reißt er seinen Gurt von der Hüfte, dreht sich in Position packt blitzschnell den Unterarm des Mannes, um ihn dann mit aller Gewalt nach oben zu stoßen. Dabei verdreht er den Arm des Piloten offenbar derart schmerzhaft, dass ihm die Beretta aus der Hand gleitet. Sofort springe ich hinterher, schnappe sie mir, hechte zwischen die beiden Pilotensitze und drücke den kalten Stahl der Waffe an den Hals des Soldaten.
„Und jetzt drehen wir um!“, brülle ich ihm ins Gesicht.
„ Yeaha!“, stößt Robert vor Begeisterung aus und reißt die Faust zur Siegerpose hoch, „Du verdammter Mistkerl!“
Der Co-Pilot hebt sachte die Hand und deutet mir damit offenbar an, dass niemand die Absicht hätte, sich meinen Wünschen zu widersetzen. Noch nicht!
Augenblicklich schwenkt die Maschine nach rechts. Durch die großen Front- und Seitenscheiben des Cockpits erkenne ich die Gebäude von EINAI-City.
Wow … das Ding ist schnell!
Viel mehr Zeit hätten wir wohl nicht mehr gehabt. Als wir die entgegengesetzte Flugbahn erreicht haben, stoße ich mit dem Lauf der Pistole erneut gegen den Hals des Piloten, um noch mal kurz seine Aufmerksamkeit zu erhalten.
„Auf drei Uhr!“, gröle ich und deute auf die rechte Seitenscheibe. „Wir fliegen nach Süden… und zwar volle Power!“
Kurz schaut er mich unzugänglich, fast widerborstig an. So drücke ich erneut, diesmal etwas fester zu. Dann reiße ich mit meiner freien Hand das Funkkabel aus seinem Helm, dreh mich zur Seite und wiederhole diesen Vorgang beim Co-Piloten.
Erneut schwenkt der Seahawk rechts.
Bislang mache ich meine Richtungsangaben nur aus dem Bauch, was natürlich schnell in die Hose gehen könnte. So versuche ich, mich mit der Instrumententafel ein wenig vertraut zu machen. Von der Mittelkonsole aus habe ich einen guten Blick.
Beide Piloten verfügen über dieselben Instrumente, als da wären links und rechts jeweils zwei und in der Mitte noch mal ein DinA4 großer Bildschirm . Auf den beiden nebeneinander liegenden Monitoren ist zum einen eine Landkarte abgebildet, die sich mit jeder Richtungsänderung der Maschine mitdreht – demnach also unsere Flugbahn anzeigt. Perfekt! Ja, der Mann ist gehorsam… wir fliegen nach Süden. Der Monitor daneben bildet die üblichen Instrumente wie Höhenmesser, Fahrtmesser, Transponder, Ölanzeige und all diesen Kram ab. Was mir jetzt noch Sorgen bereitet ist der Bildschirm in der Mitte; das Wetter-Radar! Ich erkenne außer den kreisförmigen Linien, welche wohl die jeweilige Entfernung darstellen, und einem kräftigen Pfeil, der unsere Flugrichtung anzeigen dürfte, nur dunkelrote, flackernde Felder… der ganze Monitor ist Tiefrot! Mein Blick wandert behutsam nach oben, an weiteren digitalen Anzeigen vorbei, über das Cockpit hinaus ins Freie.
Würde ich meinen Arm rausstrecken, könnte ich sie berühren, diese dunkelbraune, ja fast schwarze, brodelnde, aufblitzende Masse, die über uns schwebt, wie der Zorn Gottes. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Obwohl wir – ich schaue auf den Höhenmesser – in gerade mal achthundert Metern Höhe fliegen, durchstoßen wir jetzt schon einzelne Schwaden. Da klopft mir Robert auf den Rücken.
„Wie schnell fliegen wir?“, ruft er.
Ich dreh mich wieder vor und versuche irgendwie den Tacho ausfindig zu machen. Gibt’s natürlich nicht, ist mir klar.
„Wie schnell sind wir?“, gebe ich die Frage an den Piloten weiter. Er deutet mit dem Zeigefinger auf seinen rechten Bildschirm, auf eine dieser Anzeigen.
Weitere Kostenlose Bücher