Nichts
„Lasst uns versuchen etwas zu schlafen!“, beende ich das Gespräch. „Morgen früh werden wir darüber entscheiden. Doch ich muss euch beiden zustimmen. Wahrscheinlich haben wir keine andere Chance…“
Sa. 06. August 2016 23:12 Uhr
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Minus 011 Tage : 16 Stunden : 48 Minuten : 13 Sekunden
L iege neben Julie in unserem Schlafzimmer. Es ist dunkel. Nur ein zarter Lichthauch, vom hellen Mond an die Wand geworfen, erlaubt ein wenig die Orientierung. Tausend Einfälle rasen mir durch den Schädel. Denke, wie die da draußen in ihrem Hubschrauber wohl zurechtkommen. Dürfte nicht wirklich Spaß machen - für den alten Hahn schon gar nicht. Soll nicht mein Problem sein. Wir haben hier drin keinen Platz. Nicht für ungeladene Gäste. Nicht in unserer letzten Nacht.
Schweißtropfen rinnen kitzelnd über meine nackte Haut. Drehe den Kopf und betrachte Julie. Ebenso wie ich, liegt sie splitternackt auf dem Bett und kämpft mit Gedanken und Hitze.
Vielleicht aber träumt sie ja auch schon. Ihr Atem ist ruhig und leise. Schaue aus dem offenen Fenster in die schwarze Nacht. Kann die Sterne äugen. Milliarden Sterne. Natürlich weiß ich, dass es höchstens vier- oder fünftausend sind. Mehr kann man von der Erde aus nicht erkennen. Trotzdem kommt es mir vor, als ob unser Haus förmlich durchs Universum schwebt. Totenstille. Nur ein paar Grillen trotzen der allgegenwärtigen Bewusstlosigkeit.
Ich zucke für den Bruchteil einer Sekunde. Erschrecke, bis ich die Berührung einordnen kann. Julie streicht mir sanft, kaum wahrnehmbar über die Haut. Mit dem Handrücken entlang meiner Seite. Kribbeln.
„Bist du noch wach?“, haucht sie.
„Ja… Kann nicht schlafen.“
„Hab ich mir gedacht! Mach dir nicht so viel Sorgen, Schatz.“
Kann mich nicht rühren - oder will nicht. Meine Haut spannt, als ihre Finger tiefer nach unten gleiten. Genau die Ablenkung, die ich jetzt brauche. Meine Atmung wird schwer. Schwerer in dem Moment, in dem sie sich nun auf die Seite legt, ihre Absicht damit klar beschreibt. Bin hoffnungsvoller Dinge. Fühle ihre langen Haare auf meiner Brust kitzeln, während sie gemächlich über mich rutscht. Kann in der Dunkelheit kaum etwas erkennen. Umso mehr erahnen. Ihre verschwitzte Haut spüren, riechen. Das Gesicht nur Millimeter von meiner Haut entfernt, fühle ich ihren Atem. Erfrischend kühl. Prickeln, ungeduldiges jucken, während ihre Hände meine sanft umschließen. Kann, will mich nicht mehr bewegen.
Auch ihr Atem geht nun deutlich schwerer, intensiver. Wir lieben uns. Leise Seufzer entweichen - mehr entzücken wird unterdrückt. Sind nicht alleine. Meine Hände fühlen ein Beben. Nach und nach fallen die Sterne vom Himmel. Unzählige Meteoriten stürzen auf uns herunter und entzünden sich explosionsartig. Das Universum brennt und wartet darauf, von den Fluten unserer Hingebung gelöscht zu werden!
Wie betäubt trennen sich unsere Körper und verfallen in eine selige Starre. Durchatmen. Wirre Gedanken schwirren mir durch den Kopf.
Zeit?
Sag, wie lang ist eine Minute? Du magst antworten, sechzig Sekunden.
Dann sag, wie lang ist eine Sekunde? Du magst antworten, ein Wimpernschlag.
Ist Zeit demnach nicht allein ein Gefühl, deine persönliche Wahrnehmung? Ein Takt, ein Ideal mit dem du Vergangenheit und Zukunft mit deinem Ist in Einklang zu bringen suchst.
Doch beides ist nicht real, weder Gestern noch Morgen existiert. Das eben ist erloschen, das gleich noch nicht erstrahlt. Woher nimmst du also Gewissheit, dass du bist?
Und so suchst du, wohl eher um den Verstand nicht zu verlieren, dein Sein irgendwie zu berechnen. Mit dem Maßstab, einer Uhr, die du Zeit nennst.
Aber Zeit, mein Freund, gleicht weniger einem Wildbach, der an dir reißend vorüberzieht, dessen Tempo du womöglich zu berechnen vermagst. Zeit gleicht vielmehr einem ruhigen See, in dem sich die Natur friedvoll spiegelt. Nicht Fels im Fluss, dagegen der Farbtropfen, soeben vereinigt mit reinem Wasser, vermag deine Existenz zu beschreiben. Dieser See hat keine Dimensionen. Er ist weder hoch noch breit, weder lang noch kurz, schnell oder langsam, männlich oder weiblich, weder plus noch minus. Er ist das Nichts, das Eine, in dem sich Leben spiegelt.
Innerhalb eines Wimpernschlages erstrahlt unendliches Sein. Daher messe nie mit dem Zollstock was nicht ist. Messe mit deiner Farbe. So
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