Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Fun ist eine von Franchisenehmern betriebene Kette von Spielzentren. Eltern sollen dort ihre Kinder für ein paar Stunden abliefern können, während sie selbst groß einkaufen. Ich hatte Marsha einmal begleitet, als sie Kelly und Aida aus einem abgeholt hatte. Das Kind bekommt ein Namensarmband, das sich nicht abnehmen 185
läßt, und der Erwachsene eine Ausweiskarte, die ihn als einzigen zur Abholung berechtigt. An diesem Morgen waren die Mädchen ziemlich unausstehlich gewesen, und ich erinnerte mich gut, wie Marsha lachend auf das Reisebüro gegenüber dem Spielzentrum gezeigt und
gesagt hatte: »Die ideale Lage für ein Reisebüro! Wie oft ich schon daran gedacht habe, die Kids abzuliefern und mir drüben ein Ticket nach Rio zu holen!«
Das Einkaufszentrum war kreuzförmig angelegt, und vier Department Stores – Sears, Hecht’s, JCPenney, Nordstrom – bildeten die Enden seiner Achsen. Im
Mittelbereich führten Rolltreppen in die beiden
Obergeschosse hinauf und von ihnen herunter. In der großen Cafeteria im zweiten Stock herrschte reger Betrieb. Die Raumtemperatur war fast tropisch –
vermutlich mit Absicht, um den Getränkeabsatz zu
fördern.
Ich entdeckte Kids Have Fun in der zu Hecht’s
führenden Gebäudeachse und wandte mich an Kelly.
»Hey, willst du später dort reinschauen? Sie haben Videofilme und alle möglichen anderen Sachen.«
»Ja, ich weiß. Aber ich will lieber bei dir bleiben.«
»Komm, wir gehen trotzdem mal rein.« Ich wollte sie noch nicht dort reinstecken, weil ich nicht einmal wußte, ob ich einen Anruf bekommen würde, aber ich mußte das Gelände schon jetzt erkunden und Vorbereitungen
treffen.
Ich trat an den Schalter. »Man muß im voraus
reservieren, um hier reinzukommen?«
Anscheinend nicht; man brauchte nur aufzukreuzen
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und einen Vordruck auszufüllen. Ich rechnete mir aus, daß ich nach einem Anruf um sechzehn Uhr höchstens eine halbe Stunde Zeit haben würde, um sie zu
verstecken. Ich mußte von der schlimmsten Möglichkeit ausgehen: die anderen hatten die Nummer von Kevs
Mobiltelefon, hörten es ab und bekamen mit, wie ich Pat genaue Anweisungen gab. Ich wollte, daß sie nicht in der Nähe und trotzdem sicher untergebracht war. Außerdem wußte ich nicht, ob ich mich hundertprozentig auf Pat verlassen konnte. Womöglich stand er auf der anderen Seite. Ich mußte vorsichtig sein, aber zugleich konnte ich es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.
Ich merkte, wie Kelly sich umsah. Hier schien es ganz nett zu sein. Wir gingen wieder hinaus.
»Du kannst jetzt mitkommen, aber später muß ich eine Zeitlang allein unterwegs sein, okay?«
Sie war sofort sauer. »Wiesooo?«
»Weil ich etwas zu erledigen habe, okay? Aber jetzt kannst du mir helfen.«
Sie lächelte wieder. »Oh, okay, aber du bleibst nicht lange fort, stimmt’s?«
»Ich komme früher zurück, als du denkst.«
Kelly und ich machten einen Rundgang und
erkundeten dabei das Einkaufszentrum, ohne daß sie etwas davon merkte.
»Was suchen wir, Nick?«
»Ein Geschäft, das Kameras und Telefone verkauft.«
Wir setzten unseren Rundgang fort, bis wir schließlich eines im Erdgeschoß entdeckten. Dort kaufte ich ein Ladegerät für das Mobiltelefon. Kelly beschloß, doch 187
kein weiteres Geschenk für Melissa zu brauchen, sondern verkündete, sie werde einfach nur die
Freundschaftsarmbänder von zu Hause holen. Ich äußerte mich nicht dazu.
Um fünf vor vier zog ich das Mobiltelefon aus der Tasche und schaltete es ein. Ladezustand und
Signalstärke waren in Ordnung. Ich war bereit.
Um zehn nach vier begann es zu klingeln. Ich drückte die Empfangstaste. »Hallo?«
»Ich bin’s.«
»Wo bist du?«
»Telefonzelle.«
»Ich möchte, daß du pünktlich um fünf Uhr in die
Landside Mall in Alexandria kommst. Du betrittst sie durch JCPenney, gehst zum Mittelteil, fährst mit der Rolltreppe in den zweiten Stock und gehst in Richtung Sears weiter. Bis dahin alles klar?«
Am anderen Ende entstand eine Pause, als
rekapituliere er meine Anweisungen. »Okay.«
»Auf der linken Seite liegt das Restaurant Roadhouse.
Dort gehst du rein und holst zwei Tassen Kaffee. Ich komme dann zu dir.«
»Bis später.«
Ich schaltete das Gerät aus.
»Wer ist das gewesen?« fragte Kelly.
»Erinnerst du dich, daß ich von Pat erzählt habe? Wir treffen uns später – das ist gut, nicht wahr? Willst du jetzt zu Kids Have Fun?«
Sie würde dort abgeliefert werden, ob sie wollte oder nicht. Falls Pat mich
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