Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
nassen Betonfläche mit den Zapfsäulen. Dieser Regentag war so trüb, als sei bereits die Abenddämmerung hereingebrochen.
Ich begann die Blondine an der Kasse zu beneiden. Sie saß behaglich im Trocknen, hörte Radio oder ließ den Fernseher laufen und hatte es bestimmt so warm, dass sie das Bedürfnis haben würde, nach dem Corn Dog eine kalte Coke zu trinken. Ich fragte mich, ob sie das schaffen würde, ohne ihre Zigarette aus dem Mund zu nehmen.
Dann waren wir an dem Laden vorbei und hatten die Einmündung vor uns. Ich machte Sarah ein Zeichen, sie solle warten, aber sie war wieder einigermaßen bei Kräften und verfiel daher in ihre alten Gewohnheiten. Sie hatte es noch nie leiden können, herumkommandiert zu werden und nicht an allen Entscheidungen beteiligt zu sein. Sie kam mit.
Ich legte die letzten zehn Meter kriechend zurück und sah an der Einmündung einen Wegweiser stehen: ein grünes Schild auf einem verzinkten Pfosten. Links - von wo wir herkamen - war kein Ort angezeigt, rechts führte die Straße nach Creedmore, womit ich nichts anfangen konnte. Aber der Ortsname Durham, der ebenfalls auf dem Wegweiser stand, sagte mir etwas. Durham lag unmittelbar westlich des Flughafens; dort gab es viel Verkehr und viele Menschen, zwischen denen wir untertauchen konnten.
Die Straße führte an der links der Einmündung liegenden Tankstelle vorbei, verlief ungefähr einen Kilometer leicht ansteigend zwischen schlammigen Straßengräben und verschwand dann in einer Rechtskurve hinter hohen Tannen. Dorthin wollte ich fahren, sobald ich einen Wagen geklaut hatte, aber bevor ich irgendetwas unternahm, wollte ich sicherstellen, dass die Blondine nicht die Polizei rufen konnte. Mein Blick folgte der Telefonleitung, die von dem Gebäude aus über die Einmündung führte. Von dort aus lief sie parallel zur Straße nach Creedmore weiter.
Ich folgte ihr ungefähr zwanzig Meter weit, kroch wieder an die Straße zurück und horchte und beobachtete. Außer dem leisen Regenrauschen war kein Laut zu hören. Ich stand auf, nickte Sarah zu, die natürlich wieder mitgekommen war, und spurtete gemeinsam mit ihr über die Straße. Sobald wir wieder unter den Bäumen waren, folgte ich der Telefonleitung bis zu einem Mast, der höchstens fünf Meter von der Einmündung entfernt stand.
Ich zog meinen Gürtel aus den Schlaufen meiner Jeans und forderte Sarah auf, mir ihren zu geben. Diesmal fragte sie nicht erst lange. Sie folgte meinem Blick, mit dem ich die Telefonleitung studierte. »Willst du da raufklettern?«
»Ich will die Telefonleitung der Tankstelle abzwicken.«
»Damit wir sie ausrauben können?«
Manchmal hatte ich den Eindruck, Sarahs Realitätssinn sei erheblich gestört. Ich hörte auf, meinen Gürtel herauszuziehen, und starrte sie an. »Ist das dein Ernst?« Ich fragte mich, ob ihr ganzes teures Universitätsstudium zwecklos gewesen war. Obwohl sie genügend Gedankenkraft besaß, um ein Glas bewegen zu können, ohne es anzufassen, war ihr gesunder Menschenverstand bedauerlich unterentwickelt.
»Wir besorgen uns einen Wagen und hauen schleunigst ab«, erklärte ich ihr. »Hast du vergessen, dass wir Besuch erwarten?« Dabei imitierte ich mit der linken Hand eine zuschnappende Hundeschnauze.
Ich nahm die beiden Gürtel und verband sie zu einem großen Ring. Ihrer war der Bikergürtel des Amerikaners, auf dessen Messingschnalle eine Harley-Davidson mit dem Motto »Live to ride, ride to live« abgebildet war. Ich legte die doppelten Lederriemen um den Mastfuß, trat in die so gebildeten Schlaufen, umfasste den Holzmast mit beiden Händen und begann ihn zu ersteigen. Wie man das machte, wusste ich aus einem Dokumentarfilm über den Südpazifik, in dem die Eingeborenen auf diese Weise Kokospalmen erstiegen hatten. Man schob die Füße so hoch wie möglich, hielt dabei den Riemen straff und belastete ihn, bis er durch Reibung fixiert war. Nun brauchte man nur noch den Mast über sich mit den Händen zu umfassen, erneut die Füße hochzuschieben und so weiter. So funktionierte die Sache theoretisch; allerdings war der Telefonmast so nass und glitschig, dass ich mehrere Anläufe brauchte, um dieses Verfahren zu meistern. Aber dann war ich von meinen Fähigkeiten selbst beeindruckt; sollte ich jemals in Polynesien Schiffbruch erleiden, würde ich nicht verhungern müssen.
Ich hörte das Zischen von Reifen und näher kommende Motorengeräusche. Mein Herz schien einige Schläge auszusetzen, während ich mich fragte, wie
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