Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Selbstbeherrschung verloren hatte.
»Wann kriege ich wieder Arbeit, wenn ich schon nicht fest angestellt werde?«
Lynn hatte sich halbwegs beruhigt. »Ihre
Beschäftigung bleibt in der Schwebe, bis der neue Abteilungsleiter die Geschäfte übernimmt. Er wird 128
entscheiden, wie’s mit Ihnen weitergehen soll.«
Es wurde Zeit, dass ich allen Stolz vergaß. »Hören Sie, Mr. Lynn, ich brauche das Geld dringend. Ich bin mit jedem Scheißjob zufrieden. Schicken Sie mich
irgendwohin. Mir ist jeder Auftrag recht.«
»Dieses Mädchen, dessen Vormund Sie sind. Ist die Kleine noch immer in Behandlung?«
Scheiße, ich fand es schrecklich, wenn die Firma
solche Dinge wusste. Lügen wäre zwecklos gewesen; er wusste vermutlich auf den Penny genau, was ihre
Behandlung kostete.
Ich nickte. »Die Klinik ist verdammt teuer. Sie muss voraussichtlich noch lange in Behandlung bleiben.«
Ich warf einen Blick auf sein Familienfoto, dann sah ich wieder zu ihm auf. Er hatte Kinder; er würde meine Notlage verstehen.
Er überlegte keine Sekunde lang. » Nein . Gehen Sie jetzt. Denken Sie daran, dass Sie weiterhin bezahlt werden und sich entsprechend zu verhalten haben.«
Als Lynn auf seinen Klingelknopf drückte, kam der Asiat so schnell herein, um mich abzuholen, dass er an der Tür gehorcht haben musste. Wenigstens bekam ich beim Hinausgehen den Squashschläger zu sehen. Er stand neben der Tür an die Wand gelehnt.
Ich holte tief Luft und hätte mich beinahe umgedreht, um ihm zu sagen, wohin er sich seine gönnerhaften, hasserfüllten Worte stecken konnte. Ich hatte nichts mehr zu verlieren; was hätte er mir noch tun können? Aber dann hielt ich doch lieber den Mund. Dies war das letzte Mal, dass ich ihn sah, und er würde mich bestimmt nicht 129
wieder sehen wollen. Sobald er seinen Sessel geräumt hatte, kam ein neuer Abteilungsleiter und mit ihm vielleicht eine neue Chance. Wozu meine Brücken hinter mir verbrennen? An Lynn konnte ich mich später rächen.
Ich würde alle seine Champignons zertrampeln.
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Der Zusammenkunft in Apartment 3a sah ich weiterhin gelassen entgegen. Hatte Valentin Lebed mich reingelegt, ließ sich das nicht ändern, aber wenigstens war dies mein Revier, nicht seines. So sollte es auch bleiben, deshalb steckte ich für alle Fälle meine Pistole in meine Lederkluft, bevor ich weiterfuhr.
Trotzdem wusste ich, dass ich verdammt sauer sein würde, wenn in dem Apartment nicht jemand auf mich wartete, um mir eine Kleinigkeit zu übergeben, solange sie in einem großen Umschlag und nicht in einem
Stahlmantel steckte. Was mich erwartete, würde ich bald erfahren.
Der Verkehr in Kensington war praktisch zum Stehen gekommen. An einer Ampel war ich zwischen einem
schwarzen Taxi und einem Mercedes eingeklemmt, der von einer Frau gefahren wurde, auf deren sehr langen, auffällig blond gefärbten Haaren selbst an diesem trüben Wintertag eine hochgeschobene Chanel-Sonnenbrille saß.
Sie versuchte nonchalant zu wirken, während sie in ihr Handy schwatzte. Der Taxifahrer und ich wechselten einen Blick, dann grinsten wir beide.
Die Palace Gardens erstrecken sich entlang der
gesamten Westseite des Hyde Park von Kensington im Süden bis zum Notting Hill Gate im Norden. Ich hielt zwischen den beiden schmiedeeisernen Toren bei dem hölzernen Pförtnerhäuschen, in dem ein kahlköpfiger Fünfziger saß, der ein weißes Hemd mit schwarzer
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Krawatte und eine blaue Nylonjacke trug.
Hinter ihm lagen eine breite, von Bäumen gesäumte Straße und mit gewaschenem Kies bestreute Gehsteige.
Die großen Villen waren hauptsächlich Botschaften und Wohngebäude für Botschaftspersonal. Fahnen flatterten und Messingschilder glänzten. Der Verkaufspreis einer dieser Dienstwohnungen hätte vermutlich ausgereicht, um meine Schulden bei der Klinik zu bezahlen, Kellys Ausbildung bis hin zur Promotion zu finanzieren und noch genug übrig zu behalten, um den größten Teil von Norfolk frisch eindecken zu können.
Der Pförtner musterte mich von oben bis unten, als sei ich etwas, das einer der vornehmen Botschaftsköter auf dem Gehsteig zurückgelassen hatte. Er stand nicht auf, sondern streckte nur seinen Kopf aus dem Fenster. »Ja?«
»Nummer 3a, Kumpel. Abholung.« Ich deutete auf
meinen jetzt leeren Rucksack. Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, heute einen Kurier zu spielen, aber das erschien mir als die einfachste Methode. Immerhin musste ich in meiner Bikerkluft und mit meinem etwas betonten
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