Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
mich verraten konnten, möglichst zu verringern.
Als Erstes brauchte ich ein Hotel für die Nacht, bevor ich morgen früh Verbindung mit Tom aufnahm.
Außerdem brauchte ich Klamotten, denn ohne Maschine konnte ich unmöglich als Lederkerl herumlaufen.
Braucht man bis spät nachts geöffnete Geschäfte, ist man im West End richtig. Ich fuhr mit einem Taxi zum Piccadilly Circus und wechselte dort in mehreren
Wechselstuben insgesamt 1000 Dollar um.
Das Einkaufsparadies Selfridges erreichte ich nach einer weiteren kurzen Taxifahrt. Dort kleidete ich mich neu ein und kaufte Toilettenartikel und eine hübsche kleine Reisetasche für meinen neuen Reichtum.
Dann nahm ich mir im Hotel Selfridges ein Zimmer, 165
das ich mit meiner auf Nick Stone ausgestellten
Kreditkarte bezahlte. Mit Davidsons Karte hätte ich riskiert, dass binnen weniger Stunden an meine Tür geklopft wurde.
Nachdem ich gebadet und mich anzogen hatte – lauter normale Sachen: Jeans, Timberland-Stiefel, blaues Sweatshirt, dazu fürs Freie eine dunkelblaue
Daunenjacke –, rief ich den Zimmerservice an und
bestellte ein Club-Sandwich und Kaffee.
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Samstag, 11. Dezember 1999
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Ich wachte auf und sah auf meine Baby-G. Kurz nach acht Uhr, noch Zeit für ein paar schnelle Runden in der Badewanne, bevor ich mich anziehen musste.
Ich sah wie ein Junge in seinen neuen
Weihnachtssachen aus, als ich zum Frühstück
hinunterfuhr – ohne die Daunenjacke, aber mit meiner Geldtasche. Mir blieben noch 25000 Dollar, nachdem die sehr dankbare Klinik nicht nur den geschuldeten Betrag, sondern außerdem eine Akontozahlung erhalten hatte.
Seltsam, dass Leiter der Finanzabteilung nicht nur abends reinkommen, um einen größeren Betrag in Empfang zu nehmen, sondern auch noch Kaffee kochen und
eingießen.
Die Zeitungen waren voller Schreckensnachrichten, und während ich mein komplettes englisches Frühstück verschlang und zuhörte, wie die Amerikaner am
Nebentisch erzählten, was sie noch alles einkaufen wollten, war ich mit mir zufrieden, weil ich meiner Verantwortung gegenüber Kelly gerecht geworden war, auch wenn ich wusste, dass ich weit mehr hätte tun sollen, als nur Geld auf den Tisch zu legen.
In meinem Zimmer setzte ich mich aufs Bett und rief die Nummer auf dem Zettel an, den Liv mir gegeben hatte.
Eine junge Frau meldete sich. Ihr »Hallo« klang
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ungefähr so freundlich, als sei ich der vierte Anrufer, der sich verwählt hatte.
»Oh, hi. Ist Tom da?«
»Nein, er ist nicht da«, fauchte sie. »Er ist im Coins.
Wer sind Sie?«
»Bloß ein Freund. Coins, haben Sie gesagt?«
»Ja.«
»Was ist das, ein Geschäft oder …«
»Nein, das Café an der Ledbury Road.«
Ich war offenbar dumm, weil ich das nicht wusste.
»Okay, vielen …«
Am anderen Ende wurde der Hörer auf die Gabel
geknallt.
Von der Auskunft erfuhr ich, dass das Coins in Notting Hill in der Talbot Road lag. Ich zog meine blitzsaubere dunkelblaue Daunenjacke an, nahm meine Geldtasche mit und stieg in ein Taxi, um zu Toms Stammkneipe zu fahren. Unterwegs lieh ich mir den Stadtplan des
Taxifahrers, um festzustellen, wo Tom genau wohnte.
Der Himmel hing voller dunkler Wolken, aber ich war trotzdem gut gelaunt.
Ich kannte Notting Hill überhaupt nicht, sondern
wusste nur, dass dort alljährlich ein Jahrmarkt stattfand, und erinnerte mich an die Aufregung, als dort ein Film mit Julia Roberts gedreht worden war. Damals hatten die Zeitungen die dörfliche Atmosphäre von Notting Hill geschildert und darüber berichtet, wie wunderbar es sei, dort zu wohnen. Jetzt sah ich nicht viel Dörfliches, sondern nur teure Boutiquen von der Art, die ein von Scheinwerfern angestrahltes Paar Schuhe im
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Schaufenster haben, ein paar Antiquitätengeschäfte und einen Oxfam-Laden.
Wir bogen um mehrere Ecken und fuhren an
vornehmen Altbauten vorbei, die fast alle in Wohnungen unterteilt und so heruntergekommen waren, dass der Verputz von ihren Fassaden bröckelte.
Das Taxi hielt an einer Kreuzung, und der Fahrer
öffnete das Schiebefenster. »Das hier ist ’ne
Einbahnstraße, Kumpel. Wenn’s Ihnen recht ist, setze ich Sie hier ab. Das Coins ist gleich dort vorn links.«
Über dem Gehsteig sah ich eine große Markise mit
Seitenwänden aus durchsichtiger Plastikfolie als
Wetterschutz für die Tapferen, die ihren Cappuccino unbedingt im Freien genießen wollten.
Ich bezahlte und machte einen kleinen Spaziergang.
Das Coins erwies sich als Eckcafé mit einigen leeren
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