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Nick Stone - 04 - Eingekreist

Nick Stone - 04 - Eingekreist

Titel: Nick Stone - 04 - Eingekreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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Sommer dramatische
    Fortschritte gemacht. Sie hatte sich aus einem kaum ansprechbaren Häufchen Elend in ein Mädchen
    verwandelt, das nun auch außerhalb des privaten
    Pflegeheims in Hampstead, in dem sie den größten Teil der letzten zehn Monate zugebracht hatte, funktionieren konnte. Sie ging noch nicht mit Josh’ Kindern in die Schule, aber das würde bald kommen. Ich hoffte es
    zumindest: Sie brauchte Privatunterricht, der nicht gerade billig war, und jetzt hatte der Jasager mir die zweite Hälfte des Honorars gestrichen …
    Seit März hatte ich mich dazu verpflichten müssen,
    Kelly dreimal pro Woche zu Therapiesitzungen in
    Chelsea zu begleiten, und an allen übrigen Wochentagen hatte ich sie in ihrem Pflegeheim in Hampstead besucht.
    Zu der luxuriösen Klinik The Moorrings waren Kelly
    und ich immer mit der U-Bahn gefahren. Manchmal
    hatten wir uns während der Fahrt unterhalten, meistens über Kindersendungen im Fernsehen; manchmal hatten
    wir die Strecke schweigend zurückgelegt. Und
    manchmal hatte Kelly sich nur an mich geschmiegt und geschlafen.
    Dr. Hughes war Mitte fünfzig und sah in ihrem
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    Ledersessel eher wie eine US-Fernsehmoderatorin als wie eine Seelenklempnerin aus. Mir gefiel es nicht
    besonders, wenn Kelly etwas sagte, das Hughes für
    bedeutungsvoll hielt. Dann neigte sie ihren eleganten Kopf leicht zur Seite und sah mich über ihre
    goldgefasste Halbbrille an. »Was empfinden Sie dabei, Nick?«
    Meine Antwort lautete immer gleich: »Wir sind
    wegen Kelly hier, nicht meinetwegen.« Das kam daher, dass ich emotional verkümmert war. Ich musste es wohl sein – Josh hatte es mir gesagt.
    Die U-Bahn hielt ruckelnd und quietschend in
    Camden Town. Ich schloss mich einem grünhaarigen
    Punk, Geschäftsleuten in Anzügen und ein paar
    Touristen an, die früh unterwegs waren, und wir fuhren alle die Rolltreppe hinauf. Auf der Camden High Street herrschte lebhafter Auto- und Fußgängerverkehr.
    Empfangen wurden wir von einem weißen Rastafari, der mit drei Bohnensäcken jonglierte und auf milde Gaben hoffte, und einem alten Säufer, der mit seiner Dose Tennants in der Hand darauf wartete, dass der Pizza Express aufmachte, damit er hingehen und die Gäste
    durchs Fenster beschimpfen konnte. Um uns herum
    hallte der Lärm von Presslufthämmern von der
    Baustelle gegenüber und ließ sogar die
    vorbeikommenden Autofahrer zusammenzucken.
    Ich spielte mit dem Tod, als ich die Straße überquerte, um im Superdrug etwas Wasch- und Rasierzeug zu
    kaufen, und latschte dann mit in den Hosentaschen
    vergrabenen Händen und hängendem Kopf wie ein
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    niedergeschlagener Teenager die High Street entlang, um irgendwo zu frühstücken. Ich watete durch KFC-Schachteln, Kebab-Papier und zersplitterte Bacardi-
    Breezer-Flaschen, die nach der letzten Nacht noch nicht zusammengekehrt worden waren. Wie ich entdeckt
    hatte, als ich hergezogen war, gab es hier
    unverhältnismäßig viele Pubs und Clubs.
    Die Camden High Street und ihre Märkte schienen
    ziemlich viele Touristen anzulocken. Es war erst kurz vor zehn Uhr, aber die meisten Klamottenläden hatten bereits eine erstaunliche Auswahl an Kleidungsstücken vor ihren Läden hängen – von psychedelischen Hosen
    mit Schlag über Bondagehosen aus Leder bis hin zu
    mehrfarbigen Doc Martens. Das Verkaufspersonal
    bemühte sich unaufhörlich, Norweger oder Amerikaner, die Tagesrucksäcke trugen und Stadtpläne in den
    Händen hielten, mit lauter Musik und einem Lächeln
    hereinzulocken.
    Ich ging unter dem Baugerüst hindurch, das den
    Gehsteig an der Ecke zur Inverness Street überspannte, und wurde von dem bosnischen Flüchtling, der dort
    geschmuggelte Zigaretten aus einer Sporttasche
    verkaufte, mit einem Nicken begrüßt. Er hielt den
    Vorbeigehenden ein paar Stangen hin und sah in seiner Bomberjacke aus Kunstleder und seiner Jogginghose
    genau so aus, wie ich mich fühlte – des Lebens
    überdrüssig. Wir kannten uns vom Sehen, und ich
    erwiderte sein Nicken, bevor ich nach links in den
    Einkaufsmarkt abbog. Mein Magen war so leer, dass er wehtat, was die Schmerzen von den Fußtritten noch
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    verstärkte. Ich freute mich wirklich auf ein Frühstück.
    Das Café war voller Bauarbeiter, die gerade eine
    Pause machten. Ihre schmutzig gelben Schutzhelme
    waren wie die Helme in einer Feuerwache an der Wand entlang aufgereiht, während sie sich mit dem ganztägig angebotenen Frühstück für drei Pfund voll stopften. In dem Raum hing der Dunst aus

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