Nick Stone - 04 - Eingekreist
gekauft, den Sundance mir geklaut hatte, und er war mir bei der Sicherheitskontrolle abgenommen und in einen gepolsterten Umschlag gesteckt worden, damit ich ihn nicht dazu benutzen konnte, das Flugzeug zu entführen. Nach unserer Landung hatte ich ihn mir in der Gepäckausgabe bei der Aufsicht abholen müssen.
In dem kleinen Ankunftsbereich fand die Lärm-und- Gedränge-Olympiade statt: Spanische Stimmen
kreischten, Lautsprecher schepperten, Babys brüllten und Handys klingelten mit sämtlichen nur vorstellbaren Melodien. Ich ging weiter und suchte dabei die Gesichter der wartenden Angehörigen und Taxifahrer ab, von denen einige Schilder mit Namen hochhielten. Frauen waren in der Überzahl, und mir fiel auf, dass sie entweder sehr dick oder sehr mager waren; dazwischen gab es nicht viel. Einige waren mit Blumensträußen gekommen und hatten alle Mühe, ihre kreischenden Kleinkinder zu bändigen. Wie sie so in Dreier- und Viererreihen hinter den Barrieren standen, erinnerten sie an Fans in einem Ricky-Martin-Konzert.
Schließlich entdeckte ich im Gedränge ein weißes Pappschild mit dem mit breitem Filzschreiber geschriebenen Namen YANKLEWITZ. Der langhaarige Mann, der es hochhielt, sah anders aus als der CIA-Agent mit klar geschnittenen Gesichtszügen, den ich zu sehen erwartet hatte. Er war schlank, ungefähr so groß wie ich, knapp einsachtzig, und schätzungsweise Mitte bis Ende fünfzig. Er trug Khakishorts und eine dazu passende Fotografenweste, die aussah, als habe sie als Handtuch in einer Autowerkstatt gedient. Sein grau meliertes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und in seinem braun gebrannten Gesicht hatte er einen silbernen Dreitagebart. Sein Gesicht wirkte verschlissen; das Leben hatte offenbar darauf herumgekaut.
Ich ging an ihm vorbei bis zum Ende der Barrieren, weil ich mich erst in die neue Umgebung einfühlen und diesen Mann eine Zeit lang beobachten wollte, bevor ich mich ihm auslieferte. Etwa zehn Meter vor mir war eine Glaswand, in der Automatiktüren ins Freie führten. Dahinter lag ein Parkplatz, auf dem die grelle Sonne sich in Hunderten von Windschutzscheiben spiegelte. Der Hot-Dog- und Nacho-Stand Flying Dogs links neben dem Ausgang erschien mir als gute Tarnung. Ich lehnte mich an die Glaswand und beobachtete, wie mein Abholer im Gedränge herumgeschubst und -gestoßen wurde.
Aaron — ich vermutete, dass er’s war — bemühte sich, jeden aus der Passkontrolle kommenden Flugreisenden zu begutachten, während er sich zugleich alle paar Sekunden vergewisserte, dass er das Namensschild richtig herum hielt, bevor er es wieder über die Köpfe der Menge hob. Die Taxifahrer hatten Erfahrung mit diesem Spiel und konnten ihre Plätze behaupten, aber
Aaron wurde im Gewoge hin und her gestoßen. Wäre dies ein Ausverkauf gewesen, hätte er zuletzt zwei unterschiedliche Socken in der Hand gehalten.
Ab und zu erhaschte ich einen Blick auf seine gebräunten, unbehaarten Beine. Sie waren muskulös und an den Waden aufgekratzt, und an den Füßen trug er alte Jesuslatschen, keine modernen Sportsandalen. Dies waren keine Urlaubsklamotten, das stand fest. Er sah eher wie ein Landarbeiter oder Alt-Hippie als wie irgendeine Art Doktor aus.
Während ich ihn beobachtete und mich hier einfühlte, kam Tiger Lil mit einem riesigen, laut quietschenden Rollenkoffer in die Halle gewalzt. Sie kreischte unisono mit zwei ebenso großen schwarzen Frauen, während sie sich gegenseitig umarmten und abschmatzten.
Im Empfangsbereich drängten sich Imbissstände, von denen jeder seine speziellen Gerüche verströmte, die von der niedrigen Decke zurückgeworfen wurden und nirgendwohin abziehen konnten. In lebhaften Farben gekleidete Latinos, Schwarze, Weiße und Chinesen wetteiferten darin, sich mit lautem Geschrei zu übertreffen. Ich vermutete, dass Aaron in diesem Wettstreit ebenso unterlegen wäre wie im Standfestigkeitswettbewerb. Er wurde weiter herumgeworfen wie ein Korken in stürmischer See.
Die Klimaanlage arbeitete vielleicht, aber nicht gut genug, um die Körperwärme so vieler Menschen zu bewältigen. Der Steinboden war von dem Kondenswasser so nass, als sei er eben gewischt worden; der untere Teil der Glaswand war mit Feuchtigkeit beschlagen. Die Hitze setzte mir bereits gewaltig zu. Ich spürte, dass mir der Schweiß ausbrach, und meine Augen brannten. Ich zog meine Jacke aus, lehnte mich wieder ans Glas und fühlte das Sweatshirt an meinen feuchten Armen kleben.
In der Nähe des
Weitere Kostenlose Bücher