Nick Stone 07 - Schattenkiller
Wenn Salkic die Nachricht nicht weitergab, oder wenn Nuhanovic beschloss, ihr keine Beachtung zu schenken, stand uns eine recht mühsame Sache bevor. In dem Fall mussten wir versuchen, Salkic zu folgen, ihn zu überlisten oder so sehr unter Druck zu setzen, dass er preisgab, wo sich sein Boss befand. Verdammt, ich war nicht den ganzen Weg hierher gekommen, um mit leeren Händen dazustehen.
Jerry ging neben mir, als wir in Richtung Fluss zu- rückwanderten. Von Spitzbart und seinem Kumpel war nichts zu sehen.
Zwei deutsche SFOR-Geländewagen standen am Straßenrand, und die Soldaten sprachen mit einem Ladeninhaber. Es ging um DVD-Raubkopien.
Wir setzten uns auf eine Bank am Rand eines Kinderspielplatzes, neben dem einige hässliche, aus den siebziger Jahren stammende Betonklötze aufragten. Es würde sich bald zeigen, ob man uns noch immer folgte.
Von der Sitzbank aus sah ich zwei Sarajevo-Rosen, eine neben den Schaukeln, eine andere neben einer Rutsche. Die Serben hatten immer behauptet, die während der Belagerung getöteten Kinder wären unbeabsichtigte Opfer des Granatenbeschusses, aber die Einwohner von Sarajevo wussten es besser. Allein den Heckenschützen waren zweihundertfünfzig Kinder zum Opfer gefallen, und bei den Aktivitäten eines Heckenschützen gibt es nichts Unabsichtliches.
Die Wände der nahen Plattenbauten waren zerkratzt und voller Graffiti. Hinter Rutsche und Wippe stand eine Moschee so groß wie ein Einfamilienhaus. Ein steinernes Minarett ragte auf.
Jerry sah mich neugierig an. »Was war das mit Mladic? Bist du wirklich dort gewesen? Bei der Fabrik? Mann, ich hab dir die Geschichte erzählt, aber du wusstest von Anfang an Bescheid?«
Ich nickte und sah mich erneut nach Verfolgern um. Ich brauchte Jerry nicht aufzufordern, sich ein Beispiel an mir zu nehmen - sein Blick huschte hin und her.
»Stimmt es, dass Nuhanovic all diese Leute gerettet hat?«
»Ja.«
»Hast du irgendwelche Aufnahmen? Himmel, es wäre toll, wenn -«
»Nein, keine Bilder. Meine Sachen wurden mir gestohlen. Ich war auf dem Rückweg zur Stadt und versteckte mich bei der Fabrik, als die Wagen in meine Richtung kamen.«
Es begann zu regnen.
»Es hat keinen Sinn, hier sitzen zu bleiben - wir sähen wie Schwachköpfe aus.« Für Spitzbart und Kumpan wäre klar gewesen, dass wir nach Schatten Ausschau hielten. Wir standen auf und folgten dem Verlauf des Flusses zum Hotel.
75
Jerry lud sein Thuraya-Handy und die Kamera wieder auf, während ich in den Schubladen nach den Gelben Seiten oder einem anderen Telefonverzeichnis suchte, aber keines fand. Die Gideons waren ebenfalls nicht zu Besuch gewesen.
Es war ziemlich kalt, und deshalb behielt ich meinen Mantel an. Ich nahm zwei Flaschen italienischen Birnensaft aus der Minibar und blickte durch das regennasse Fenster. Zwei Blackhawks flogen über die Stadt und verschwanden gelegentlich in den grauen Wolken.
»Die Sache sieht so aus.« Ich warf Jerry eine Flasche zu, und er schüttelte sie. »Es gibt drei Möglichkeiten. Erstens: Salkic erscheint, hoffentlich mit einem Lächeln. Zweitens:
Spitzbart und sein Kumpel schauen vorbei, vermutlich ohne ein Lächeln. Drittens: Es kommt niemand. In dem Fall gehen wir morgen noch einmal zur Moschee und versuchen, Salkic erneut zu kontaktieren. Wenn er sich nicht blicken lässt, müssen wir in Telefonbüchern suchen, uns umhören und irgendeinen Weg finden, ihn ausfindig zu machen. Anschließend müssen wir herausfinden, wie er sich mit Nuhanovic in Verbindung setzt, wobei wir hoffentlich erfahren, wo sich Nuhanovic aufhält. Dann bekommst du dein Bild, und ich erfahre vielleicht, wer Rob umgebracht hat. Danach ... Nun, ich kehre nach Bagdad zurück. Vielleicht lege ich Robs Mörder um und suche mir einen Job im Circuit. Warum nicht? Hab ja nichts anderes zu tun.«
Wir öffneten die Flaschen. Jerry war jetzt still; vielleicht gefiel es ihm nicht, dass ich vom Töten sprach. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln.
»Wenn uns Spitzbart und der andere heute Nacht einen Besuch abstatten, sollten wir besser flink sein. Wir können nur von hier abhauen, indem wir aufs Vordach des Cafés springen, wie in den Jackie-Chan-Filmen.«
Jerry lachte nervös. Die Vorstellung, durch besagtes Vordach zu fallen und sich um die Cappuccino-Maschine zu wickeln, gefiel ihm ebenso wenig wie mir. Aber wenn die falschen Jungs anklopften, blieb uns vielleicht nichts anderes übrig. »Wenn wir entkommen und uns trennen müssen, treffen wir uns im
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